Mord in Mesopotamien
Hof geschah?»
«Nein», erklärte er, «ich war zu beschäftigt. Ich hörte den Wagen zurückkommen, und sobald ich meine Arbeit liegen lassen konnte, ging ich hinaus, um nachzusehen, ob Post für mich da sei. Da erfuhr ich es…»
«Und wann begannen Sie mit Ihrer Arbeit im Atelier?»
«Etwa zehn Minuten vor eins.»
«Kannten Sie Mrs Leidner, bevor Sie hierherkamen?»
Der junge Mann schüttelte den Kopf. «Nein, ich hatte sie vorher nie gesehen.»
«Können Sie sich an irgendetwas erinnern, es mag noch so unbedeutend sein, das uns weiterhelfen könnte?»
Carl Reiter schüttelte den Kopf und sagte hilflos: «Ich glaube, ich weiß überhaupt nichts.»
«Mr Emmott?»
David Emmott erklärte klar und knapp in seinem angenehmen Amerikanisch: «Ich arbeitete bei den Töpfen von Viertel vor eins bis Viertel vor drei. Ich beaufsichtigte Abdullah, sortierte die Töpfe und ging ab und zu aufs Dach, um Dr. Leidner zu helfen.»
«Wie oft gingen Sie aufs Dach?»
«Ich glaube viermal.»
«Für wie lange?»
«Jedesmal für ein paar Minuten… nicht länger. Nur einmal, nachdem ich mehr als eine halbe Stunde ohne Unterbrechung gearbeitet hatte, blieb ich etwa zehn Minuten. Wir besprachen, was aufzuheben und was fortzuwerfen sei.»
«Und als Sie herunterkamen, stellten Sie fest, dass der Boy nicht mehr an seinem Platz war?»
«Ja, ich rief ihn ärgerlich, und er erschien von draußen; er war vors Tor gegangen, um mit den anderen zu schwatzen.»
«Das war das einzige Mal, dass er seine Arbeit verließ?»
«Ich hatte ihn ein- oder zweimal aufs Dach geschickt.»
«Es ist wohl überflüssig, Mr Emmott, Sie zu fragen, ob Sie in dieser Zeit jemanden gesehen hatten, der Mrs Leidners Zimmer betrat oder verließ?», fragte Poirot eindringlich.
«Ich habe niemanden gesehen», antwortete Mr Emmott prompt. «In den zwei Stunden, die ich im Hof arbeitete, kam niemand herein.»
«Und soweit Sie sich erinnern können, war es halb zwei, als Sie beide, Sie und der Boy, abwesend waren und der Hof leer war?»
«Es muss um diese Zeit gewesen sein; selbstverständlich kann ich den Zeitpunkt nicht ganz genau sagen.»
Poirot wandte sich an Dr. Reilly. «Das stimmt mit Ihrer Schätzung der Todesstunde überein, nicht wahr, Herr Doktor?»
«Ja», erwiderte Dr. Reilly.
Monsieur Poirot strich über seinen Schnurrbart. «Ich glaube, wir können es als gegeben betrachten», erklärte er ernst, «dass Mrs Leidner während dieser zehn Minuten ermordet wurde.»
14
I n der Pause, die nun folgte, glaubte ich zum ersten Mal an Dr. Reillys Theorie. Ich fühlte, dass der Mörder sich im Raum befand; er saß unter uns, er hörte zu. Einer von uns…
Vielleicht fühlte es auch Mrs Mercado, denn plötzlich stieß sie einen kurzen schrillen Schrei aus und schluchzte: «Entschuldigen Sie, aber es ist zu entsetzlich.»
«Mut, Marie», sagte ihr Mann und fügte dann, sie rechtfertigend, hinzu: «Sie ist so gefühlvoll. Sie empfindet alles so stark.»
«Ich… ich liebte Louise so sehr», stöhnte Mrs Mercado. Ich weiß nicht, ob meine Gefühle sich auf meinem Gesicht widerspiegelten, jedenfalls bemerkte ich, dass Monsieur Poirot mich mit einem leichten Lächeln ansah. Ich warf ihm einen kühlen Blick zu, und er setzte sein Verhör fort.
«Erzählen Sie mir bitte, Madame, was Sie gestern nachmittag gemacht haben.»
«Ich wusch mein Haar», schluchzte Mrs Mercado. «Es kommt mir so schrecklich vor, dass ich nichts gemerkt habe. Ich war so ruhig, so zufrieden und beschäftigt.»
«Sie waren in Ihrem Zimmer?»
«Ja.»
«Und Sie haben es nicht verlassen?»
«Nein. Nicht, bis ich den Wagen hörte. Dann kam ich heraus und hörte, was passiert war. Oh, es war entsetzlich!»
«Hat es Sie überrascht?»
Mrs Mercado hörte auf zu weinen und blickte ihn vorwurfsvoll an. «Was meinen Sie damit, Monsieur Poirot? Wollen Sie sagen…»
«Was soll ich meinen, Madame? Sie haben uns gerade erzählt, wie sehr Sie Mrs Leidner geliebt haben. Sie könnte Ihnen vielleicht etwas anvertraut haben.»
«Ach so… nein… nein, die liebe Louise erzählte mir nie etwas … etwas Genaues, meine ich. Natürlich sah ich, dass sie schrecklich nervös und ängstlich war. Und da waren diese seltsamen Vorkommnisse… eine Hand, die an ihr Fenster klopfte, und all das.»
«Phantasien, wie Sie es nannten», konnte ich mich nicht enthalten einzuwerfen und freute mich, dass sie nun verwirrt innehielt. Poirot lächelte und fuhr dann sachlich fort.
«Also, Madame, Sie haben
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