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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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konzentrierte ich mich also voll und ganz auf Mrs Leidners Persönlichkeit; das war mein Ausgangspunkt. Ich hatte viele Möglichkeiten, mir ein Bild von ihrer Persönlichkeit zu machen. Da waren die Wirkungen, die sie auf die verschiedenartigsten Menschen ausübte, und da war das, was ich durch eigene Beobachtungen in Erfahrung brachte.
    Mrs Leidners Geschmack war einfach, fast spartanisch, offensichtlich war sie keine Luxusfrau. Andererseits waren einige Handarbeiten, die sie gemacht hatte, von erlesener Schönheit. Das beweist künstlerischen Geschmack. Auch die Bücher in ihrem Schlafzimmer gaben mir Aufschluss. Sie war intelligent, und ich vermute, dass sie egoistisch war.
    Dann stellte ich fest, wie Mrs Leidner auf ihre Umgebung gewirkt hatte, und so wurde das Bild, das ich mir von der Verstorbenen machte, immer klarer.
    Das erste und wichtigste Problem, das nun gelöst werden musste, war das der anonymen Briefe. Wer hatte sie geschrieben und warum? Ich fragte mich: Hat Mrs Leidner die Briefe selbst geschrieben?
    Zur Beantwortung dieser Frage war es nötig, weit in die Vergangenheit zurückzugehen – bis zu Mrs Leidners erster Ehe. Und hier beginnen wir unsere Reise – die Reise durch Mrs Leidners Leben.
    Vor allem müssen wir uns darüber klar werden, dass die Louise Leidner von früher im Ganzen genommen dieselbe ist, die sie zuletzt war. Sie war damals jung und auffallend schön – und auch damals schon durch und durch egoistisch. Solche Frauen schrecken von Natur aus vor dem Gedanken an eine Ehe zurück. Sie mögen sich von Männern angezogen fühlen, aber sie wollen vor allem ihr eigenes Ich bewahren. Dennoch heiratete Mrs Leidner, und wir können annehmen, dass ihr Gatte einen starken Charakter besessen hat.
    Dann entdeckte sie, dass er ein Verräter war, und sie meldete, wie sie Schwester Leatheran erzählte, ihre Entdeckung den Behörden.
    Ich behaupte, dass diese Tat eine psychologische Bedeutung hatte. Sie erzählte Schwester Leatheran, dass sie ein sehr patriotisches Mädchen gewesen sei und aus diesem Grunde so gehandelt habe. Es ist aber eine wohl bekannte Tatsache, dass wir alle instinktiv unseren Handlungen die bestklingenden Motive unterschieben. Mrs Leidner mag geglaubt haben, ihr Patriotismus habe sie zu ihrer Handlungsweise veranlasst, ich aber glaube, dass es der unbewusste Wunsch war, ihren Gatten loszuwerden. Ihr missfiel es, beherrscht zu werden, ihr missfiel es, einem anderen Menschen zu gehören, ihr missfiel es, die zweite Geige zu spielen. Und so schützte sie patriotische Gefühle vor, um ihre Freiheit wiederzugewinnen.
    Doch in ihrem Unterbewusstsein hatte sie ein nagendes Schuldgefühl, das in ihrem Schicksal eine Rolle spielen sollte. Wir kommen nun zu den Briefen. Mrs Leidner übte auf das männliche Geschlecht eine große Anziehungskraft aus, und einige Male verliebte auch sie sich; doch jedesmal erhielt sie einen Drohbrief, und so wurde aus keiner dieser Liebesaffären etwas.
    Wer schrieb die Briefe? Frederick Bosner, sein Bruder William oder Mrs Leidner selbst?
    Für jede dieser Theorien gibt es schwerwiegende Argumente. Mrs Leidner war eine Frau, die verzehrende Leidenschaft in den Männern weckte, eine Leidenschaft, die zur Besessenheit führen kann. Ich kann mir sehr gut einen Frederick Bosner vorstellen, dem Louise, seine Frau, alles auf der Welt bedeutete. Sie hatte ihn einst verraten, und er wagte es nicht, sich ihr offen zu nähern, aber er war bis zum äußersten entschlossen, nie zuzulassen, dass sie die Frau eines andern werde. Lieber hätte er sie tot gesehen denn als Frau eines andern.
    Andererseits wäre es bei Mrs Leidners tiefverwurzeltem Widerwillen gegen eheliche Bindungen möglich, dass sie dieses Mittel wählte, um ihr Leben zu meistern. Sie war eine Jägerin, die, wenn sie ihr Wild erlegt hat, keine Freude mehr daran empfindet! Da sie dramatische Erregungen liebte, erfand sie ein höchst praktisches Drama: Ein auferstandener Ehemann, der ihr jede Heirat verbietet! Das befriedigte ihre tiefsten Wünsche, das machte sie zu einer romantischen Figur und bewahrte sie vor einer neuen Ehe. So ging es einige Jahre lang. Stets, wenn eine Heirat in Aussicht stand, kam ein Drohbrief.
    Doch jetzt kommen wir wirklich zu einem interessanten Punkt.
    Dr. Leidner erscheint auf der Bildfläche – und es kommt kein Brief mehr! Nichts steht ihr im Wege, Mrs Leidner zu werden. Erst nach der Hochzeit kommt wieder ein Brief.
    Wir fragen uns sofort: Warum?
    Wenn Mrs Leidner die

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