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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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blickten auf Sheila Reilly, die, den beiden den Rücken zukehrend, am Fenster stand und hinausblickte.
    «Einen Stuhl, Sheila?», rief Bill.
    David Emmott fragte in seiner leisen, angenehmen Art: «Wollen Sie sich nicht setzen?»
    Sie wandte sich um und blickte beide ein paar Sekunden lang an. Jeder bot ihr einen Stuhl an, und ich war neugierig, welchen sie nehmen würde.
    Sie nahm keinen von beiden.
    «Ich setze mich hierhin», erklärte sie schroff und nahm an der einen Ecke des Tisches neben dem Fenster Platz. «Das heißt», fügte sie hinzu, «wenn Hauptmann Maitland nichts gegen meine Anwesenheit einzuwenden hat.»
    Ich bin nicht sicher, was der Hauptmann geantwortet hätte, aber Poirot kam ihm zuvor. «Bleiben Sie bitte, Mademoiselle», sagte er, «es ist sogar nötig, dass Sie bleiben.»
    «Nötig?»
    «Jawohl, Mademoiselle. Ich muss Ihnen einige Fragen stellen.»
    Sie hob die Brauen, sagte aber nichts mehr und wandte ihr Gesicht zum Fenster, als ginge sie das, was im Zimmer geschah, nichts an.
    «Und jetzt», knurrte Hauptmann Maitland, «möchte ich endlich wissen, was los ist.»
    Er sprach ungeduldig. Offensichtlich war er ein Mann der Tat, und er sah Poirot mit sichtlichem Missfallen an.
    Poirot blickte uns alle prüfend an, dann stand er auf. Ich weiß nicht, was ich erwartete… bestimmt etwas Dramatisches, das hätte zu ihm gepasst, auf keinen Fall aber hatte ich erwartet, dass er mit einem arabischen Spruch beginnen werde.
    Und doch tat er es, er sprach langsam, feierlich: « Bismi l lah ar rahman ar rahmin. »
    Dann übersetzte er es: «Im Namen Allahs, des Allgnädigen, des Barmherzigen.»

27
     
    « B ismillah ar rahman ar rahmin. Dieser arabische Spruch wird vor Beginn einer Reise gesprochen. Eh bien, auch wir stehen am Beginn einer Reise, einer Reise in die Vergangenheit, einer Reise in die seltsamen Gefilde der menschlichen Seele.»
    Ich blickte mich um und stellte eigenartig berührt fest, dass Monsieur Poirot Recht hatte – wir alle waren im Begriff, eine Reise zu unternehmen; hier saßen wir noch zusammen, aber wir hatten getrennte Wege vor uns. Und ich sah alle an, als sähe ich sie zum ersten Mal – und zum letzten Mal.
    Mr Mercado spielte nervös mit den Fingern und starrte aus seinen eigentümlich hellen Augen mit den geweiteten Pupillen auf Poirot. Mrs Mercado sah ihren Mann unverwandt mit einem lauernden Blick wie eine sprungbereite Tigerin an. Dr. Leidner schien gebrochen zu sein, dieser letzte Schlag hatte ihn völlig erschüttert. Mr Coleman starrte Poirot mit halb offenem Mund und vorquellenden Augen an, er machte einen direkt schwachsinnigen Eindruck. Mr Emmott betrachtete seine Füße, und so konnte ich sein Gesicht nicht richtig sehen. Mr Reiter, der verwirrt dreinblickte, hatte den Mund gespitzt und glich mehr denn je einem netten, sauberen Schweinchen. Miss Reilly blickte unentwegt zum Fenster hinaus; ich wusste nicht, was sie dachte oder fühlte. Dann betrachtete ich Mr Carey, dessen trostloser Gesichtsausdruck mir fast wehtat, so dass ich wegschauen musste. Da saßen wir nun beieinander, und ich war sicher, dass wir, wenn Monsieur Poirot gesprochen hatte, völlig verändert sein würden.
    Es war ein merkwürdiges Gefühl. Poirot sprach ruhig, es klang wie das Murmeln eines Flusses, der stetig und gleichmäßig zwischen den Ufern dahinfließt… zum Meer fließt…
    «Von Anfang an war ich der Ansicht, dass man in diesem Fall nicht nach äußeren Zeichen oder Anhaltspunkten suchen dürfe, sondern nach viel aufschlussreicheren Anhaltspunkten, nach den Geheimnissen des Herzens und dem Widerstreit der Persönlichkeiten und Charaktere.
    Ich kann sagen, dass ich überzeugt bin, die richtige Lösung gefunden zu haben, aber ich habe keinen objektiven Beweis dafür. Ich weiß aber, dass es so ist, wie ich sage, weil es so sein muss, weil auf keine andere Weise jede einzelne Tatsache in die Gesamtstruktur passen würde. Und es ist meiner Meinung nach die einzige Lösung, die es geben kann.»
    Er machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: «Ich will meine Reise beginnen mit dem Augenblick, da man mich zur Aufklärung des Falles hinzuzog. Meiner Ansicht nach hat jeder Fall seine Eigenart, und ich erkannte sofort, dass sich in diesem Fall alles um die Persönlichkeit von Mrs Leidner und ihre Charaktereigenschaften drehte. Da ich nicht genau wusste, was für ein Mensch Mrs Leidner war, konnte ich nicht wissen, warum sie ermordet wurde und wer sie ermordet hatte.
    Wie ich sagte,

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