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Mord in Mesopotamien

Mord in Mesopotamien

Titel: Mord in Mesopotamien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Briefe selbst geschrieben hatte, ist die Frage leicht zu beantworten: Mrs Leidner wollte Dr. Leidner heiraten, und so heiratete sie ihn. Aber warum schrieb sie sich dann später einen Brief? War ihr Drang nach dramatischen Auftritten zu stark? Und warum nur diese zwei Briefe? Denn dann kamen ja anderthalb Jahre lang keine mehr.
    Nun zu der Theorie, dass die Briefe von ihrem ersten Mann, Frederick Bosner (oder seinem Bruder), geschrieben wurden. Warum kam der Drohbrief erst nach der Heirat? Es ist anzunehmen, dass Frederick nicht wollte, dass sie Leidner heirate. Warum unternahm er nichts dagegen? Bei früheren Gelegenheiten hatte er das doch mit so großem Erfolg getan. Und nachdem er gewartet hatte, bis die Heirat stattfand, warum hat er dann mit seinen Drohungen wieder eingesetzt?
    Eine Antwort, wenn auch eine unbefriedigende, ist die, dass er vorher vielleicht nicht in der Lage war, etwas zu unternehmen. Vielleicht war er im Gefängnis oder in Übersee.
    Als Nächstes erfolgt der Mordversuch durch Gas. Es kommt mir höchst unwahrscheinlich vor, dass das ein Außenstehender getan hat; am ehesten ist anzunehmen, dass Dr. Leidner und seine Frau diesen Mordversuch in Szene gesetzt haben. Da es keinen einleuchtenden Grund gibt, warum Dr. Leidner es getan haben sollte, müssen wir annehmen, dass es Mrs Leidner war. Aber warum?
    Die beiden fahren dann nach Übersee und leben anderthalb Jahre lang glücklich, ohne durch Drohungen erschreckt zu werden. Sie führen das darauf zurück, dass sie ihre Spuren gut verwischt haben; das ist aber keine Erklärung. Heutzutage kann man sich nicht mehr auf diese Weise verstecken, und besonders nicht im Fall der Leidners. Er ist der Leiter einer Ausgrabungsexpedition, und Frederick Bosner hätte durch das Museum sofort seine genaue Adresse erhalten können. Selbst wenn es ihm aus finanziellen Gründen nicht möglich gewesen wäre, das Paar in fernen Ländern zu verfolgen, hätte er weiterhin Drohbriefe schreiben können. Und ich glaube, dass ein so fanatischer Mensch wie er das auch getan hätte. Statt dessen dauert es fast zwei Jahre, bis er wieder Briefe sendet.
    Warum?
    Das ist eine sehr schwerwiegende Frage – die einfachste Antwort wäre die, dass Mrs Leidner sich langweilte und neue Sensationen brauchte. Doch diese Antwort befriedigt mich nicht. Diese Art von Sensation scheint zu vulgär, zu trivial für eine geistig so hoch stehende Persönlichkeit wie Mrs Leidner.
    Es gibt drei Möglichkeiten: Erstens, die Briefe wurden von Mrs Leidner selbst geschrieben; zweitens, sie wurden von Frederick Bosner (oder von seinem jüngeren Bruder William) geschrieben; drittens, sie wurden ursprünglich entweder von Mrs Leidner oder ihrem ersten Mann geschrieben, waren aber jetzt Fälschungen, das heißt, sie wurden jetzt von einer dritten Person, die Kenntnis von den früheren Briefen hatte, geschrieben.
    Als Nächstes untersuchte ich nun Mrs Leidners Umgebung. Ich stellte zunächst fest, welche Möglichkeiten jedes Expeditionsmitglied hatte, den Mord auszuführen.
    Grob gesprochen, hätte jedes Mitglied die Möglichkeit gehabt, abgesehen von drei Personen: Dr. Leidner, der, wie Zeugen berichteten, nie das Dach verlassen hatte, Mr Carey, der Dienst am Ausgrabungsplatz versah, und Mr Coleman, der in Hassanieh war.
    Aber, liebe Freunde, diese Alibis sind nicht so gut, wie sie zu sein scheinen, ausgenommen das von Dr. Leidner. Es besteht absolut kein Zweifel, dass er die ganze Zeit auf dem Dach war und erst fünfviertel Stunden nach dem Mord herunterkam.
    Ist es jedoch so sicher, dass Mr Carey sich die ganze Zeit auf dem Ausgrabungsplatz aufgehalten hatte?
    Und war Mr Coleman tatsächlich in Hassanieh gewesen, als der Mord geschah?»
    Bill Coleman errötete, öffnete den Mund, schloss ihn wieder und blickte sich unruhig um.
    Mr Carey zuckte nicht mit der Wimper.
    Sanft fuhr Poirot fort: «Ich zog noch eine andere Person in Betracht, die bestimmt imstande wäre, einen Mord zu begehen, wenn sie gereizt wird. Miss Reilly besitzt Mut, Verstand und ist bis zu einem gewissen Grad rachsüchtig. Als Miss Reilly mit mir über die Tote sprach, sagte ich im Scherz zu ihr, sie habe doch hoffentlich ein Alibi. Ich glaube, in diesem Moment wurde sich Miss Reilly auf einmal bewusst, dass sie im Grunde ihres Herzens den Wunsch verspürt hatte, zu töten. Jedenfalls servierte sie mir sofort eine höchst dumme, sinnlose Lüge: Sie behauptete, sie habe am Mordnachmittag Tennis gespielt. Am nächsten Tag erfuhr ich

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