Mord in Oxford
geben. Sie hätte meinen Haferkeks tatsächlich besser nicht gegessen. Schließlich wissen wir alle, dass ihr leicht schlecht wird, wenn sie vor dem Laufen etwas isst.«
Wenn man ihr so zuhört, dachte Kate, hat man den Eindruck, alles geht seinen normalen und gewohnten Gang. Wie bei jedem Trainingslauf. Sie hat ihr Vorgehen bis ins Kleinste ausgeklügelt, und sie wird mich töten, genau wie sie Yvonne getötet hat. Außer, es gelingt mir, sie zu stoppen. Bisher sitzt sie noch am längeren Hebel, aber allmählich ist es an der Zeit, dass ich mich wehre. Sie holte mehrmals tief Luft und hoffte, ihre Stimme würde nicht mehr zittern, wenn sie sprach.
»Habe ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich kürzlich in Denington war und deinen Vater kennen gelernt habe?«, fragte sie und stellte erleichtert fest, dass ihre Stimme erheblich fester klang.
»Was?« Sophie reagierte erschrocken. »Warum hast du das getan?«
»Er hat mir Fotos von dir gezeigt. Von damals, als du noch jung und athletisch warst«, fuhr Kate fort. »Natürlich habe ich mir danach ein paar Fragen gestellt, aber anscheinend nicht genug.«
Sophie atmete scharf aus. »Das hättest du nicht tun dürfen«, sagte sie. »Wir sprechen nicht mehr über ihn, seit er Mutter hintergangen hat.« Kates Handgelenk wurde so weit nach oben gezerrt, dass sie dachte, ihre Schulter müsse gleich auskugeln. Sie zwang sich, keinen Schmerzenslaut von sich zu geben.
Ein anderes Thema, und zwar schnell, dachte sie. Das letzte war keine gute Idee gewesen. Dennoch hatte sie ein gewisses Maß an Selbstvertrauen gewonnen, denn immerhin hatte sie Sophie dazu gebracht, ihr zu antworten.
»Ich dachte, Yvonne hätte deinen Vater wegen eines anderen Mannes verlassen«, fuhr sie fort. »Von wegen hintergehen.«
»Tom Grant«, sagte Sophie. »Aber das war doch nur natürlich. Jede Frau würde wegen eines solchen Mannes alles stehen und liegen lassen. Aber Vater hätte auf sie warten sollen. Sie hätte ihn gebraucht, als Tom sie verließ.«
»Das erklärt eine ganze Menge«, nickte Kate. »Kein Wunder, dass Yvonne den Mann auf dem Kieker hatte.«
»Das war ein großer Fehler«, erklärte Sophie. »Als wir nach Oxford zogen, war er sehr freundlich zu mir. Ich mochte ihn, und jetzt will er uns diese wunderbare Sportanlage bauen.«
»Hättest du etwas dagegen, ein bisschen weniger fest zuzupacken?«, wagte Kate einen Vorstoß. »Du tust mir ziemlich weh.«
»Das verdienst du nicht.« Stattdessen ging Sophie in die Knie, und Kate musste wohl oder übel folgen. Sophie verströmte einen gefährlichen Wildgeruch, der ihr fast den Magen umdrehte. Sie löste die Schnürsenkel von Kates Laufschuhen und lockerte sie.
»Du kannst nicht weglaufen, außer, ich lasse es zu«, sagte sie. »Aber denk dran, ich bin schneller und stärker als du. Du wirst brav ganz nah bei mir bleiben. Und wenn du glaubst, du könntest abhauen, wird es dir sehr bald ziemlich Leid tun.«
Sophies grüne Froschaugen zeigten fast keine Regung, und Kate glaubte ihr jedes Wort. Zumindest war es eine Erleichterung, nicht mehr gegen diesen feuchten, übel riechenden Körper gepresst zu werden. Mit dem Rücken zur Wand hockten sie nebeneinander im Halbdunkel und starrten die halb offene Tür an. Mit dem Rücken zur Wand, dachte Kate, im wahrsten Sinn des Wortes. Sophie schien es zufrieden zu sein, schweigend abzuwarten.
»Ganz schön schlau ausgedacht«, begann Kate und hoffte, dass sie die Schmeichelei nicht allzu sehr übertrieb. »Ich meine den Mord an Yvonne. Aber ich verstehe immer noch nicht, warum du es getan hast.«
Sophie schwieg weiter. Endlich sagte sie: »Ich wusste von den Fotos in ihrem Aktenschrank. Ich dachte, wenn ich sie vernichte, hat sie keine Macht mehr. Ich dachte, ich könnte sie vielleicht verbrennen. Dann würde sie nicht mehr in der Lage sein, Leuten ihren Willen aufzuzwingen. Aber sie hat mich angeschrien und versucht, mich daran zu hindern.«
»Dann war es also ein Unfall?«, fragte Kate vorsichtig. »Du hast vielleicht im Affekt zugeschlagen?«
»Nein.« Sophies Stimme klang hölzern. »Ich wusste schon lange, dass ich sie würde umbringen müssen. Der Satz auf der Dose, weißt du noch? › Lebe , um zu sterben ‹. Wir haben uns damals darüber unterhalten, was er bedeuten könnte. Von Anfang an war mir klar, dass du ihn falsch verstanden hattest. Für mich war die Bedeutung sonnenklar: Yvonne musste sterben, damit ich leben kann. › Stirb , um zu leben ‹.. Die Botschaft galt
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