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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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versucht«, gestand sie. »Er ging nicht ab.«
    »Viele hätten einfach den Finger abgeschnitten.«
    Jetzt sah sie verletzt aus. »Wofür hältst du mich?«
    »Schweigen wir doch lieber über diese Frage. Gibt es einen Ort, wo mein Freund mit seinem Leiden Hilfe finden kann?«
    Sie blickte stirnrunzelnd auf die am Boden liegende Gestalt, die nicht einmal mehr zuckte. »Er ist dein Freund? Da hättest du mich aber wirklich fast getäuscht.«
    »Er ist es jetzt, und ich verspüre das dringende Bedürfnis, ihn zu heilen. Beantworte meine Frage. Ich werde dich gut bezahlen, wenn du mich führst.«
    »Ich kenne einen Heiler. Er ist gut. Lebt draußen im alten Hafen. Und du brauchst mich nicht zu bezahlen«, fügte sie hochmütig hinzu. »Ich kann stehlen, was ich brauche.«
    »Ich wollte dich nicht in deiner Berufsehre kränken. Hier, du trägst seinen Waffengurt und den Helm. Ich trage ihn. Zeig mir den Weg, aber lauf nicht zu weit voraus.«
    »Du willst ihn selber tragen?« fragte sie skeptisch. »Er ist eineinhalbmal so groß wie du!«
    »Die Leute lassen sich so leicht vom Äußeren täuschen.« Nistur bückte sich und packte den Gestürzten an einem Arm. Dann richtete er sich auf, zog den Söldner halb hoch und schob eine Schulter an seine Körpermitte. Als er schließlich stand, hatte der Assassine den Krieger sauber über der Schulter hängen. »Du hättest zum Beispiel bestimmt nicht erraten, daß ich ein Dichter bin, oder?«
    »Nicht auf Anhieb«, gab die Diebin zu.
    Als sie langsam durch die Gasse zum Hafen zurückwanderten, begannen sich dünne Wolken zusammenzuziehen, und es fiel frischer Schnee.

2
     
    »Wie weit noch?« wollte Nistur wissen. Er versuchte seine Müdigkeit nicht zu zeigen, aber sein Atem ging allmählich schneller. Zwei Dampfsäulen drangen aus seiner Nase. Der Mann mit der Rüstung über seiner Schulter schien mit jeder Minute schwerer zu werden.
    »Nicht weit. Es ist eins von diesen Wracks. Jedenfalls irgendwo hier in der Gegend.«
    Mit dieser vagen Versicherung zogen sie weiter und suchten die auf Grund liegenden Schiffe ab.
    Als sich vor vielen Jahren die See von Tarsis zurückgezogen hatte, hatte sie eine riesige Flotte gestrandet im Hafen zurückgelassen. Die Umwälzung hatte am Ende der Segelsaison zugeschlagen, als alles, vom Fischerboot bis zur Kriegsgaleere, sicher in den Docks oder vor Anker lag. Die meisten waren Handelsschiffe gewesen: dickbäuchige Ungeheuer mit zwei oder drei Masten, geräumigen Laderäumen und großen Kabinen für Passagiere, Offiziere und die Besatzung. Die meisten hatten sich senkrecht auf den sandigen Hafenboden gesetzt und waren seitdem nirgends mehr hingefahren, jedenfalls nicht intakt.
    Mit den Jahren waren viele der Schiffe, besonders die kleineren, als billige Quelle von Bau- oder Feuerholz abgerissen worden. Ein paar verfaulten und waren jetzt nur noch übelriechende Haufen Holzbrei. Aber einige dienten auch als billige Behausung für die Armen und Ausgestoßenen. Die Umwälzung war hier als großes Erdbeben aufgetreten, bei dem Tausende von fallenden Balken und Steinen erschlagen worden waren. Viele der Überlebenden hatten sich in Steinhäusern nie wieder sicher gefühlt, doch die alten Schiffe hatten ihnen das Gefühl von Sicherheit vermittelt.
    Die meisten der so genutzten Schiffe wurden von großen geschwungenen Balken aufrecht gehalten, damit sie nicht auf die Seite kippten. Auf manchen hatte man sogar gebaut, mit Holz, das von anderen Schiffen geraubt worden war. Jetzt erhoben sich die neuen Gebäude mehrere Stockwerke über den ehemaligen Decks, hatten Fenster, Balkone und Vorzelte. Manche waren in bunten Farben gestrichen oder zeigten das Zeichen eines Gasthauses, einer Taverne oder eines Geschäfts über dem Eingang. Die meisten aber waren reine Bruchbuden, die unter der Sommersonne verfaulten und im Winter eiskalt waren, wenn der Wind zwischen den Planken hindurchpfiff, zwischen denen längst weder Werg noch Teer mehr steckten.
    Die Bewohner des Hafens waren im Prinzip Tarsianer, aber sie gehörten nicht zum eigentlichen Tarsis. Die Stadtbewohner betrachteten die Leute aus dem Hafen nicht als echte Bürger, und letztere legten wenig Wert auf Verbrüderung mit ersteren, von denen sie fast ebenso verachtet wurden wie Fremde und Nichtmenschen.
    »Hier ist es!« rief Muschelring triumphierend. Die Diebin stand vor dem Wrack eines dickbauchigen Handelsschiffes mittlerer Größe, das im Schatten der riesigen, weitgereisten Fregatten winzig

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