Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
Geld für ihr Studium zu verdienen. Vor drei Tagen, konkret am Freitagabend, ist sie von einem Inkassogang nicht mehr nach Hause zurückgekehrt. Ilses Vater, der früher denselben Nebenjob gemacht hat, befürchtet sofort einen Raubüberfall. Am Samstagmorgen erstattet er die Abgängigkeitsanzeige und begibt sich dann selbst auf die Suche nach seiner Tochter. Er kennt die lange Tour noch, klappert in dem Wissen, dass Ilse am Freitag 3.000 Schilling einkassieren sollte, Haus um Haus ab. Kurz vor der Florianigasse 17 gibt er allerdings erschöpft auf.
Franziska Weber, die einzige Kundin der Versicherungsgesellschaft in diesem Haus, hätte er ohnehin nicht angetroffen. Sie ist tatsächlich in Langenlois und hat ein Alibi: Johann Rogatsch hat sie und ihr Kind am Freitag zur Bahn gebracht. Weber, die mittlerweile nach Wien zurückgekehrt ist, zeigt der Polizei die Fahrkarte, und Zeugen bestätigen ihren Aufenthalt in Niederösterreich. Vom Verbrechen, das in ihrer Wohnung geschehen ist, weiß sie nichts.
Aber Rogatsch weiß mehr als er zugibt. Zwar sind seinen Nachbarn am vergangenen Wochenende keinerlei Anzeichen von Nervosität an ihm aufgefallen, aber eine der Hausbewohnerinnen erinnert sich an eine merkwürdige Situation: Sie sei ganz überrascht gewesen, als Rogatsch ihr den abgeräumten Christbaum aus der Hand genommen und in den Keller getragen hat. Den Grund für seine ungewohnte Zuvorkommenheit ahnt die Frau erst jetzt: Am Sonntag, wenn die Hausordnung die Benützung der Waschküche untersagt, hat Johann Rogatsch dort Ilse Moschners Leiche zersägt.
Lückenhaftes Geständnis
Schon nach kurzem Verhör im Sicherheitsbüro gesteht Rogatsch den Mord an der Studentin. Zunächst versucht er sich auf einen Wutanfall herauszureden: Nachdem er am Freitagabend vom Bahnhof zurückgekehrt ist, hat ein junges Mädchen an der Wohnungstür geläutet und seine abwesende Lebensgefährtin wegen der fälligen Versicherungsprämie zu sprechen verlangt. Dabei, so Rogatsch, habe das Mädchen sich im Ton vergriffen und in etwa gesagt: „Zu Ihnen kann man kommen, wann man will, nie ist jemand zu Hause!“ Darüber sei er, Rogatsch, derart in Wut geraten, dass er ihr mit der flachen Hand einen Schlag ins Genick versetzt hat. Als er daraufhin bemerkt habe, dass das Mädchen sich nicht mehr rührte, habe er es mit der Angst zu tun bekommen und die Tote nur noch wegschaffen wollen. Das Geld, das Ilse Moschner bei sich getragen hat, habe er dann eben einstreift.
Die Ermittler betrachten die Begründung für den Mord als fadenscheinig. Sie glauben nicht an eine Affekttat, denn Rogatsch hat bereits zugegeben, dass er der Inkassantin die Prämie gezahlt und Geld von ihr zurückerhalten hat. Außerdem hat er in den Vernehmungen bekannt, die Sterbende geknebelt zu haben. Den Vorwurf der Vergewaltigung bestreitet er dagegen vehement, und den entsprechenden Nachweis zu erbringen, ist den Gerichtsmedizinern nicht möglich.
Bei anderer Gelegenheit gibt Rogatsch an, am Tag nach dem Verbrechen einen größeren Geldbetrag in einem Nachtlokal ausgegeben zu haben und bezichtigt einen Freund der Mittäterschaft. Der Freund, ein Pferdewärter in der Krieau, ist völlig perplex, als die Polizei ihn am Mittwochmorgen aus dem Bett holt. Als er endlich begreift, dass man ihm den Mord an einer jungen Frau anlastet, widerspricht er aufs Heftigste und bringt ein stichhaltiges Alibi bei, worauf Rogatsch seine Anschuldigung wieder zurückzieht. Er habe dem Freund nur eins auswischen wollen, weil der früher mit seiner Lebensgefährtin Franziska Weber liiert gewesen sei.
Geld und Sex
Johann Rogatsch erweist sich als äußerst schwieriger, cholerischer Charakter. Lügen kommen ihm leicht von den Lippen, wenn es aber um das wahre Geschehen am Abend des Mordes geht, gibt er nur das zu, was die Polizei ihm vorab beweist. Er bezeichnet sich als pflichtbewussten Menschen, denn er habe ja die Zerstückelung seines Opfers um punkt 21 Uhr unterbrochen, um im Stiegenhaus das Licht abzudrehen und das Haustor zuzusperren. Obwohl Rogatsch an epileptischen Anfällen leidet, die in großen Abständen auftreten, besteht kein Zweifel, dass er für seine Tat voll verantwortlich ist.
Indessen erhärten sich die Indizien, dass er den Mord an Ilse Moschner von langer Hand geplant hat: Er war in den vergangenen Monaten zweimal anwesend, als die Studentin die Versicherungsprämie von Franziska Weber einkassiert hat, und wusste genau, wann die attraktive junge Frau wiederkommen
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