Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
würde. Obendrein berichtet Weber den Polizisten, dass sie erst zu einem späteren Termin nach Langenlois fahren wollte. Rogatsch aber hat sie überredet, schon am 8. Jänner, dem Mordtag, zu fahren, ohne einen stichhaltigen Grund dafür nennen zu können.
Als die Ermittler ihn mit dem Obduktionsergebnis konfrontieren, das Schläge auf den Kopf mit einem spitzen Gegenstand und furchtbare Verletzungen durch Messerstiche belegt, bequemt er sich zu einem Teilgeständnis: Na gut, er habe nach dem Hieb mit der Hand noch mit einer Kurbelwelle mehrmals zugeschlagen, und zum Messer habe er auch gegriffen. Aber vergangen habe er sich an seinem Opfer nicht!
Fest steht, dass Rogatsch die Versicherungsprämie mit einem Fünfzig-Schilling-Schein bezahlte und Ilse Moschner sich setzte, um zu wechseln. Dabei dürfte er zudringlich geworden sein und der Studentin einen Schlag ins Genick versetzt haben, als sie sich wehrte. Dann folgten die Schläge auf den Kopf mit der Kurbelwelle und die Messerstiche. Dass neben dem geraubten Geld vor allem ein sexuelles Motiv für das schreckliche Verbrechen bestanden hat, legt die gerichtsmedizinische Untersuchung nahe: Johann Rogatsch hat Ilse Moschners Leiche auf eine Weise verstümmelt, wie es Lustmörder tun. Einzelne Stücke des Leichnams hat er sogar gekocht, und es ist durchaus wahrscheinlich, dass er selbst Teile davon verzehrt hat.
Der Rächer von Stein
„Es waren zwei Einbrecher. Sie haben auf mich geschossen!“ So rechtfertigt der 24-jährige Polizeiwachmann Ernst Karl den Gebrauch seiner Dienstpistole am 16. April 1968 kurz vor zwei Uhr nachts. Ort des Einsatzes: die Garage des Kaufhauses Tivoli in Wien-Meidling. Walter Pöttler (24) ist sofort tot, Johann Kihsl (21) stirbt im Rettungswagen. „Ich habe die beiden Männer beim Betreten der Garage beobachtet und bin ihnen gefolgt. Als ich sie stellen wollte, hat der eine auf mich geschossen.“ Notwehr also, und der junge Streifenpolizist – ein gefeierter Held.
In Anbetracht von Kihsls Waffe, aus der ein Schuss abgeben worden ist, und den Strumpfmasken, die auf dem Boden liegen, eine durchaus überzeugende Darstellung. Sie hat allerdings einen Haken: Die beiden vorbestraften Einbrecher sind aus nächster Nähe erschossen worden, was auch die gerichtsmedizinische Untersuchung bestätigt. Ernst Karl hat sieben Schüsse abgefeuert, fast alle waren Treffer.
Noch während die Erhebungen am Tatort laufen, kommen zwei junge Frauen zu einem vor der Garage geparkten Auto. Susanne Lehner*, die Autobesitzerin, erzählt den Kriminalisten, der Wagen sei ihr in der Nacht in der Schönbrunner Straße gestohlen worden, und nun habe sie ihn hier auf dem Tivoli zufällig wiederentdeckt. Diesem Zufall misstrauen die Beamten. Sie bringen die Mädchen ins Sicherheitsbüro, wo sie sich nach kurzer Zeit als wichtige Zeuginnen erweisen: Pöttler und Kihsl, die ihre Freunde gewesen sind, haben sich das Auto ausgeliehen – für den Einbruch. „Sie wollten aus der Kaufhausgarage die Kassette mit der Tageslosung stehlen.“ Außerdem gibt Susanne Lehner zu Protokoll, dass Kihsl den Tipp von einem Polizisten erhielt, mit dem er bekannt war. „Dieser Polizist hat auf einer Baustelle gegenüber dem Kaufhaus einen Zettel hinterlegt, auf dem die günstigste Zeit für den Einbruch notiert ist.“
Der Zettel wird tatsächlich gefunden. 1.05 Uhr, steht darauf. Bei einer Gegenüberstellung erkennt Lehner Ernst Karl sofort, und sie macht eine weitere Aussage, die den Polizisten belastet: Johann Kihsl hat von ihm eine Pistole als Geschenk erhalten – jene Waffe, aus der er angeblich das Feuer auf Karl eröffnet hat.
Der derart Beschuldigte bestreitet anfangs die Vorwürfe, legt aber dann doch ein erstes Teilgeständnis ab: Ja, er habe den Einbruch mit Kihsl und Pöttler vereinbart. „Ich sollte bei der Vivenotgasse in Uniform Schmiere stehen.“ Entgegen der Abmachung habe er aber seinen Aufpasserposten verlassen und sei seinen Komplizen in die Garage gefolgt. Dort habe er sich von ihnen bedroht gefühlt und aus Notwehr auf sie geschossen.
Eine Schutzbehauptung, sind die Ermittler überzeugt. Sie vermuten, dass Karl die beiden Ganoven in eine Mordfalle gelockt hat. Das Motiv dafür bleibt vorerst im Dunkeln, denn Karls seelische Anspannung beim Verhör ist so groß, dass er einen Nervenzusammenbruch erleidet und nur noch wirre Angaben macht. Wiens Polizeipräsident Josef Holaubek bemerkt angesichts eines seiner Untergebenen, der einen Doppelmord begangen
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