Mord in Wien: Wahre Kriminalfälle (German Edition)
Schule, Matura, Studienbeginn. Nur eines gelingt ihm nicht: die Loslösung von seiner dominanten Mutter. Ihre innige Zuneigung ist zur erdrückenden Kontrolle ausgeartet. Wenn Adrian zu viel raucht, beschimpft Rebeka ihn. Wenn er beim Joggen zu lange ausbleibt, lässt sie ihrem cholerischen Temperament freien Lauf. Wenn ihr eine Freundin des Sohnes nicht gefällt, muss er sich von dem Mädchen trennen.
Gleichzeitig verhätschelt sie ihren „kleinen Prinzen“ weiterhin. Auf Rebekas Kosten fährt er einen teuren Sportwagen, trägt Designer-Kleidung und logiert auf 115 Quadratmetern in bester Döblinger Lage inmitten von edlem Mobiliar, das die Mutter gekauft hat. Egal welchen Wunsch ihr Sohn äußert, Rebeka erfüllt ihn. Geld spielt keine Rolle. Verwandte, Bekannte und Nachbarn staunen über den Luxus, den die Mutter dem Informatikstudenten angedeihen lässt. Die Akademiker und Künstler, mit welchen Adrian sich umgibt, meinen einhellig: ein angenehmer, liebenswürdiger, intelligenter junger Mann. Nur eine ehemalige Freundin wird im Nachhinein sagen, sie habe schon gemerkt, wie sehr der ruhige, sensible Bursche unter seiner übermächtigen, zu Wutausbrüchen neigenden Mutter gelitten hat.
Der Beginn von Adrian Kertész’ Veränderung lässt sich nicht genau datieren. Irgendwann 1992 zieht er sich von seinen Freunden zurück. Er bildet sich ein, sie würden ihn nicht mehr verstehen, und bricht mit ihnen. Möglicherweise hängt der Wandel seiner Persönlichkeit mit dem Tod des Vaters zusammen, den Adrian sehr verehrt hat. Der 26-Jährige brüstet sich plötzlich mit seiner aristokratischen Abkunft und macht lautstark seine Mutter schlecht, die mit ihrer Tätigkeit im „Fetzenhandel“ seines und des Vaters blaues Blut besudeln würde. Immer mehr steigert Adrian sich in seinen Wahn hinein, der sich schließlich im März 1993 aufs Entsetzlichste entlädt.
In grenzenlosem Blutrausch
An jenem Samstag schläft Adrian wie so oft in der Wohnung seiner Mutter in der Gentzgasse. Genau genommen schläft er gar nicht, sondern sitzt die ganze Nacht vor dem Fernseher. Mit ihrem Unmut darüber hält Rebeka nicht hinterm Berg. Die 59-Jährige wirft ihrem Sohn lasches Verhalten vor, ein Wort gibt das andere, und in Kürze entbrennt ein erbitterter Streit. Obwohl das Geschrei der beiden durchs Haus hallt, kümmert sich keiner der Nachbarn darum. Auch als Adrian in den Morgenstunden des Sonntags zu toben anfängt, mit geballten Fäusten gegen die Wände drischt und dabei ununterbrochen „Faschist, Faschist!“ brüllt, schreitet niemand ein oder ruft die Polizei.
Rebeka Kertész versucht, ihren Sohn zu beruhigen. Doch etwa um 9.00 Uhr dreht er völlig durch. Zu spät bemerkt die Mutter, wie die letzte Schranke in ihm fällt. Nun steht er mit einem riesigen Messer vor ihr, einem Hirschfänger. Erst zwingt er Rebeka, sich nackt auszuziehen und schneidet ihr die Haare ab. Dann schlägt er immer wieder brutal auf sie ein und bricht ihr beide Arme. Die Nachbarn ignorieren die gellenden Schreie der Frau, die gegen 10.00 Uhr endgültig verstummen: Adrian greift wieder zum Jagdmesser und rammt es seinem Opfer ins Genick. Damit „legt er die Vitalzentren lahm“, wie er es als Waidmann in seinem Revier gelernt hat. In besinnungsloser Ekstase sticht er unablässig auf seine Mutter ein – 15-mal, wie der Gerichtsmediziner später zählen wird. Als er zum letzten Stoß ins Herz ausholt, ist Rebeka längst tot.
Adrians Blutrausch aber ist noch nicht zu Ende. Er schleppt die Leiche in die Küche, schlitzt ihr den Bauch auf und weidet sie aus wie ein Jäger sein erlegtes Wild. Herz, Leber, Nieren, Gedärme – Adrian entfernt alle inneren Organe. Schließlich nimmt er das große Wiegemesser, mit dem seine Mutter Kräuter zerkleinert hat, und trennt der Toten damit den Kopf ab.
Mit einem Plastiksack in der blutverschmierten Hand tritt Adrian ins Stiegenhaus und fährt mit dem Aufzug ins Erdgeschoss. Dort begegnet ihm ein Nachbar, der bemerkt, dass Blut aus dem Sack tropft. Der Mann spricht den Studenten an, fragt ihn beunruhigt, was los gewesen sei und ob es seiner Mutter gut gehe. „Meinen Sie die da?“, erwidert Adrian knapp, öffnet den Plastiksack und gibt den Blick auf dessen Inhalt frei. Entsetzt fährt der Mann zurück, als er den abgetrennten Frauenkopf sieht.
Während der Nachbar in seine Wohnung eilt, um die Polizei zu alarmieren, verlässt Adrian teilnahmslos das Haus. Sein Ziel ist Rebekas Geschäft ein paar Gassen weiter.
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