Mord ist ihre Leidenschaft
führen?«
»Am liebsten würde ich es gar nicht führen müssen. Und komm endlich von deinem goldenen Ross herunter. Deine Herablassung ist nämlich völlig fehl am Platz.«
Er öffnete das emaillierte Etui auf seinem Schreibtisch und wählte sorgsam eine Zigarette aus. »Es heißt ›hohes Ross‹, Lieutenant.«
Sie ballte die Fäuste, bat Gott im Himmel um Geduld und wandte sich ihm wieder zu. »Was hat Summerset am Tag von Thomas Brennens Ermordung in den Luxury Towers gemacht?«
Schätzungsweise zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, sah sie, dass Roarke sein inneres Gleichgewicht verlor. Die Hand, die gerade ein silbernes Feuerzeug hatte betätigen wollen, verharrte reglos mitten in der Luft, sein zuvor leicht erboster Blick wirkte regelrecht entsetzt, er schüttelte den Kopf und legte dann vorsichtig sowohl das Feuerzeug als auch die unangezündete Zigarette zurück auf den Tisch.
»Was?«, war alles, was er sagen konnte.
»Du hast es nicht gewusst.« Vor lauter Erleichterung bekam sie weiche Knie. Es war nicht restlos möglich, diesen Menschen zu durchschauen. Er war zu beherrscht, zu clever, zu geschickt. Seine entgeisterte Miene allerdings sprach Bände. »Darauf warst du nicht vorbereitet. Du hast es wirklich nicht gewusst.« Sie trat einen Schritt näher. »Was hast du erwartet? Auf welche Fragen von mir warst du gefasst?«
»Bleiben wir zunächst bei deiner ersten Frage.« Äußerlich hatte er sich bereits nach wenigen Sekunden wieder völlig in der Gewalt, sein Magen jedoch verknotete sich so schmerzlich, dass er nur noch mit großer Mühe Luft bekam. »Du glaubst, Summerset hätte Tommy am Tag seiner Ermordung besucht? Das ist nicht möglich.«
»Warum nicht?«
»Weil er es mir gesagt hätte.«
»Dann sagt er dir also alles, ja?« Sie vergrub die Hände in den Taschen ihrer Hose und stapfte ungeduldig durch den Raum. »Wie gut hat er Brennen gekannt?«
»Gar nicht gut. Weshalb glaubst du, dass er an dem Tag dort war?«
»Weil ich die Überwachungsdisketten habe.« Sie baute sich vor seinem Schreibtisch auf und musterte ihn. »Und weil Summerset Punkt zwölf Uhr mittags in der Eingangshalle der Luxury Towers aufgenommen worden ist. Er steigt in einen Fahrstuhl, kommt aber nicht wieder zurück. Der Pathologe meint, dass Brennen gegen zehn vor fünf gestorben, dass ihm jedoch die erste Verletzung, die Amputation der Hand, bereits zwischen zwölf Uhr fünfzehn und zwölf Uhr dreißig zugefügt worden ist. «
Da er nicht länger still sitzen konnte, ging Roarke hinüber an die kleine Bar, füllte dort ein Glas mit Brandy und schwenkte das Getränk langsam und nachdenklich in seiner Hand. »Eve, eventuell geht Summerset dir auf die Nerven. Möglich, dass du ihn sogar als… unangenehm empfindest. « Als Eve schnaubte, zog er seine Brauen in die Höhe. »Aber du kannst unmöglich ernsthaft glauben, dass Summerset fähig ist, einen anderen Menschen stundenlang zu quälen und ihn anschließend zu ermorden.« Roarke hob das Glas an seine Lippen und nahm einen beruhigenden Schluck. »Ich kann dir versichern, dass er ohne jeden Zweifel niemals zu so etwas in der Lage wäre.«
Sie ließ sich nicht von Emotionen leiten. »Was hat er dann am fraglichen Tag zwischen zwölf Uhr mittags und fünf Uhr nachmittags gemacht?«
»Das fragst du ihn am besten selber.« Ohne auch nur hinzusehen, drückte er den Knopf der Gegensprechanlage und sagte: »Summerset, würden Sie wohl bitte in mein Arbeitszimmer kommen? Meine Frau hat eine Frage.«
»Sehr wohl.«
»Ich kenne diesen Mann, seit ich ein Junge war«, sagte er dann zu Eve. »Ich habe dir viel von unserer gemeinsamen Vergangenheit erzählt und jetzt vertraue ich dir diesen Menschen an.«
Ihr Herz zog sich zusammen. »Ich kann diese Sache nicht persönlich werden lassen. Das darfst du nicht von mir verlangen. «
»Du musst sie sogar zu etwas Persönlichem machen. Weil sie genau das ist.« Er trat auf sie zu – »Persönlich und intim.« – und berührte mit den Fingerspitzen zärtlich ihre Wange. »Denn hier geht es um mich.«
Die Tür ging auf und er zog seine Hand zurück.
Mit tadellos frisiertem, silbrig weißem Haar, frisch gebügeltem schwarzem Anzug und blank geputzten Schuhen betrat Summerset den Raum.
»Lieutenant«, sagte er mit einem Ton, als hinterließe dieses Wort auf seiner Zunge einen unangenehmen Geschmack. »Was kann ich für Sie tun?«
»Was haben Sie gestern um zwölf Uhr mittags in den Luxury Towers gemacht?«
Er blickte durch sie
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