Mord ist schlecht fürs Geschäft
sehr. Ich sehe von hier aus das ganze Leben, obwohl ich im Augenblick mit dem Laufen Schwierigkeiten habe. Mir entgeht nicht viel.« Plötzlich wurde ihr Blick ein wenig besorgt, und das Lächeln wich aus ihrem Gesicht. »Es hat sich doch niemand beklagt, dass ich eine neugierige Schnüffelnase bin, oder?«
Honey lächelte und setzte sich auf das lederbezogene Chesterfield-Sofa, das rot und in der Mitte ein bisschen durchgesessen war. Über die Rückenlehne war ein blau-roter Seidenschal mit weichen goldenen Fransen gebreitet.
»Nein, Mrs. Patel. Vielmehr könnten Sie uns gerade wegen Ihrer Angewohnheit – und Ihrer Schmerzen – vielleicht bei der Aufklärung eines Mordes helfen.«
»Eines Mordes!« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Eines echten Mordes? Das ist ein wirklicher Fall, nicht was fürs Fernsehen?«
Honey dachte an die beiden armen Kerle, Elmer Maxted und Mervyn Herbert. »Leider ist dies ein echter Fall.«
Mrs. Patel klatschte begeistert in die Hände. »All die Jahre habe ich Krimis angeschaut, und jetzt bin ich wirklich Zeugin in einem echten Mordfall!«
»Genau.«
»Also«, sagte Mrs. Patel und strahlte, »wie kann ich Ihnen helfen?«
Honey lehnte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und faltete die Hände. »Ich habe gehört, dass Mr. Spiteri nebenan gerade erst aus dem Ausland zurückgekehrt ist. Stimmt das?« Sie hatte Angst, dass sie vielleicht die alte Dame erschrecken würde, sprach also leise, aber sehr deutlich.
|275| »Ist er ein Verdächtiger? Was hat er gemacht? Wie hat er es gemacht?«
Trotz ihres offensichtlich hohen Alters schien Mrs. Patel weder taub noch ängstlich noch entsetzt über die Möglichkeit, neben einem Mörder zu wohnen. Im Gegenteil, es sah ganz so aus, als genösse sie diesen Gedanken.
Honey musste sie enttäuschen. »Ich glaube, dass seine Schuld oder Unschuld sehr davon abhängt, was Sie zu sagen haben.«
Mrs. Patel blieb der Mund offen stehen. Ihre braunen Augen leuchteten vor Erregung. »Weiter, weiter!« Mrs. Patel war die Zeugin, von der alle Polizisten träumen: klar im Kopf, engagiert, begierig, den bestmöglichen Bericht über die Ereignisse zu geben.
»War Mr. Spiteri eine Weile nicht hier?«
Die richtige Antwort würde Spiteri seine Freiheit schenken und wäre eine klatschende Ohrfeige für Doherty.
Mrs. Patel hielt keineswegs die Luft an, sondern reagierte sofort: »Er ist vor etwa zwei Wochen zurückgekommen, an einem Donnerstag, so um fünf Uhr morgens. Ich schlafe nicht besonders gut, wissen Sie. Das ist das Problem, wenn man alt wird.«
»Und wie lange war er weg?« Honeys Herz klopfte ihr wild gegen die Rippen. Alles hing von dieser Antwort ab. Falls Spiteri zu der Zeit, als die Morde begangen wurden, nicht hier war, war er aus dem Schneider. Und Doherty saß in der Tinte. Honey merkte, dass sie um die richtige Antwort betete.
»Er war etwa zwei Monate weg, hat Verwandte auf irgendeiner Insel im Mittelmeer besucht. Irgendwo bei Sizilien, glaube ich.«
Vor Honeys Augen tauchte eine Landkarte des Mittelmeers auf. »Malta?«
Mrs. Patel nickte. »Ich glaube, so heißt sie. Er hat es mir mal gesagt, aber Erdkunde war nie meine Stärke.«
»Phantastisch!« Honey klatschte in die Hände. Sie konnte |276| es kaum erwarten, Doherty diese Fakten um die Ohren zu hauen.
Mrs. Patel lächelte. »Ich bin so froh, dass ich helfen konnte. Er sieht zwar ein bisschen furchteinflößend aus, ist aber wirklich ein netter Mann. So freundlich. Nicht wie der andere Mann, der früher in der Wohnung im Souterrain gewohnt hat. Man hätte nie gedacht, dass sie beide für diesen adeligen Herrn arbeiten.«
Eigentlich hatte Honey so schnell wie möglich weggewollt, um Doherty mit der Wahrheit zu konfrontieren, dass Spiteri unmöglich die beiden Männer umgebracht haben konnte. Aber Mrs. Patels Neugier lieferte Ergebnisse, von denen sie nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
Honeys Beine wurden bleischwer. Ihre Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne. »Welcher andere Mann war das, Mrs. Patel?«
»Nicht Mr. Spiteri – der mit dem Kinn wie Desperate Dan. Wenn Sie wie meine Jungs je die Dandy-Comics gelesen haben, wissen Sie, was ich meine.«
Die Dandy-Comics waren vor Jahren bei Kindern sehr beliebt gewesen. Der Held hatte ein ausladendes, kantiges Kinn gehabt. Die Beschreibung passte auf Trevor Spiteri, den Mann, dem sie im Gewächshaus von Charlborough Grange gegenübergestanden hatte.
»Dieser andere Mann – würden Sie den
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