Mord ist schlecht fürs Geschäft
gedrungen. Sie hatte ihn abgeschleppt, aber sie wusste um Dohertys Ruf: Sie war sicherlich nicht die Einzige.
Steve Doherty lächelte vor sich hin, und was immer er dachte, behielt er für sich. Als er dann sprach, war ihr klar, dass er eigentlich nicht mit ihr redete. Er gab sich selbst gute Ratschläge, erklärte seinem inneren Ich, was wohl als Nächstes zu erwarten wäre. »Lass das mal meine Sorge sein. Ein bisschen guter alter Doherty-Charme, dann vergisst sie, dass sie hier die verdammte Miss Marple spielen wollte. Garantiert.«
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|57| Kapitel 6
Cora Herbert bestand darauf, dass Honey Elmer Maxteds Sachen mitnahm.
»Es geht einfach nicht, dass mir das Zeug meinen Gepäckraum blockiert«, sagte Cora entrüstet, während ihr eine nicht angezündete Zigarette im Mundwinkel klebte.
Honey verzog das Gesicht, als sie an das dunkle, staubige Kabuff unter der Treppe dachte. Das als Gepäckraum zu bezeichnen, war hart an der Grenze. Es sprach jedoch nichts dagegen, dass sie Coras Wunsch nachkam. In ihrem Hotel gab es einen kleinen Raum hinter dem Empfang, in dem Gäste ihr Gepäck abstellen konnten. Auf ein, zwei Reisetaschen mehr oder weniger kam es nicht an.
Nachdem sie die Sachen dort verstaut hatte, konnte sie nicht umhin, noch einmal einen kleinen Blick hineinzuwerfen. Sobald sie sich versichert hatte, dass wirklich niemand am Empfang wartete, schloss sie die Tür hinter sich. Obwohl sie alles schon einmal durchgeschaut hatte, als sie unter Cora Herberts Treppe eingesperrt war, hatte sie sich damals sehr beeilt. Jetzt konnte sie sich Zeit nehmen. Und wer weiß, was sie alles finden würde.
Den Pass und die anderen Papiere des vermissten Mannes wollte sie in ihrem privaten Safe im Büro aufbewahren. Als sie das Flugticket genauer musterte, stellte sie fest, dass das Rückreisedatum bereits in zwei Tagen war. Seltsam. Nur noch zwei Tage bis zum Rückflug? Da sollte er jetzt Pläne schmieden, Bahn- und Busfahrpläne wälzen oder sich darum kümmern, wo er den Mietwagen abstellen konnte – falls er je einen gehabt hatte.
Und da war noch etwas. Wenn Elmer seine Ahnen suchte, |58| warum fand sie keine Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden, nicht einmal einen unvollständigen Stammbaum? Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Ihre erste instinktive Reaktion war, dass Elmer Maxted tot war – ermordet. Aber wie und von wem? Und warum?
Im Hotelfach arbeitet man sechzehn Stunden am Tag und sieben Tage in der Woche. Feiertage wie etwa Weihnachten oder Ostern und der Hochsommer waren die turbulentesten Zeiten. Selbst an ganz gewöhnlichen Tagen stand Honey im Morgengrauen auf und fiel erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages erschöpft ins Bett. Wer müde war, dem riss leicht mal der Geduldsfaden. War bei Cora oder Mervyn eine Sicherung durchgebrannt, und sie hatten eine Dummheit begangen? Sie dachte nach. Cora? Nein. Die Frau war nicht gerade die Gastfreundlichkeit in Person, aber die einzigen Untaten, die in ihrer Pension begangen wurden, bestanden wahrscheinlich im täglichen Verkokeln der Frühstückswürstchen.
Die Tür zum Büro hatte gut geölte Scharniere. Honey hörte nicht, wie Lindsey ins Zimmer trat.
»Mutter! Was machst du denn da?«
Beinahe wäre Honey aus der Haut gefahren. »Du willst mich wohl zu Tode erschrecken?«
Lindsey trug ihre Sportsachen, hatte den marineblau-weißen Matchsack locker über die Schulter geschwungen. Sie grinste. »Nur wenn du mir in deinem Testament ein Vermögen vermacht hast. Dann wär’s einen Versuch wert.«
»Ich schlage vor, du unterhältst dich zu diesem Thema mal mit deiner Großmutter.«
Gloria Cross hatte drei Ehemänner verschlissen. Alle waren Millionäre gewesen, auch Honeys Vater. Er hatte sich mit einer schicken jungen Frau nach Connecticut abgesetzt. Unbeirrt hatte ihre Mutter ihn auf Unterhaltszahlungen verklagt, den Prozess gewonnen, sich einen neuen Millionär geangelt und ein Glas auf ihren Exmann getrunken, nachdem der in den Flitterwochen im Bett sein Leben ausgehaucht hatte.
|59| »Ein sehr passendes Ende für einen Mann, der die Frauen geliebt hat«, war der Kommentar ihrer Mutter gewesen. In jener Nacht hatte sie zwei Flaschen Krug-Champagner geleert und einen ganzen Zitronen-Baiser-Kuchen verzehrt. Das war ihr Lieblingskuchen. Bis heute.
Lindsey schaute Honey über die Schulter. Sie roch frisch geduscht. »Was machst du da?«
Honey seufzte und stopfte Pass, Papiere und Flugticket wieder in die Plastikhülle, um
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