Mord ist schlecht fürs Geschäft
sie in den Safe zu legen. Ehe sie den Schlüssel im Schloss herumdrehte, fiel ihr Blick noch einmal auf das Datum.
»Da stimmt was nicht mit der Reservierung, die er im ›Ferny Down Guest House‹ gemacht hat, und dem Datum seines Rückflugs von Heathrow. Wo wollte er in der Zwischenzeit hin?«
Lindsey zuckte die Achseln. »Vielleicht hatte er vor, noch ein paar Tage länger in der ›Maison Cora‹ wohnen zu bleiben.«
Honey dachte darüber nach, schüttelte dann aber den Kopf. »Es ist sowieso schon ungewöhnlich, dass sich jemand in einem Bed & Breakfast für eine ganze Woche einquartiert. Meistens machen Touristen nicht im Voraus so genaue Pläne – ganz bestimmt nicht in einem Etablissement wie dem ›Ferny Down‹ – das ist eher was für den unteren Marktsektor.«
»Höre ich da einen Hauch Snobismus heraus?«
»Realismus.«
Lindsey nickte. »Klar.« Sie wusste ebensogut wie ihre Mutter, dass Touristen, die in bestimmten Unterkünften übernachteten, sehr genaue Reisepläne hatten. Je nach Geldbeutel reichten ein, zwei Tage an jedem Ort, den sie besuchen wollten. »Aber es gibt ja immer Ausnahmen.«
Honey wedelte mit dem Flugticket. »In zwei Tagen ist sein Rückflug. Da hatte er nicht viel Zeit, noch woanders hinzufahren – höchstens einen Tag. Den letzten Tag müsste er für die Anreise zum Flughafen reservieren.«
|60| Lindsey, von der Honey manchmal vergaß, dass sie erst achtzehn war, meinte nur: »Die meisten Leute fahren schon am Vorabend nach London.«
Honey tippte sich mit dem Flugticket nachdenklich an die Lippen, während sie alles noch einmal überdachte. Sie sah Lindsey in die Augen, die dunkel waren wie ihre eigenen. »Das heißt, er wäre morgen in Richtung Flughafen aufgebrochen.«
»Was sonst noch?«
Honey schaute zu Seite. »Er hat Ahnenforschung betrieben. Trotzdem finde ich keine Geburts-, Heirats- oder Sterbeurkunden in seinem Gepäck. Das ist doch komisch.«
Lindsey seufzte und blickte auf die Uhr. »Jemand hat ihn umgebracht.«
»Glaubst du das wirklich?« Honeys Augen weiteten sich, und eine Mischung aus Furcht und Erregung wallte in ihrem ansehnlichen Busen auf. Die Möglichkeit war ihr auch schon in den Sinn gekommen, aber Beweise hatte sie dafür keine. War Lindsey etwas aufgefallen, das ihr entgangen war?
Doch Lindsey grinste nur und sagte: »Das hab ich doch nur so dahingesagt – weil ich im Augenblick einfach keine Zeit habe, mir groß Gedanken zu machen.« Sie schaute noch einmal auf die Uhr. »O je! Jetzt muss ich mich aber schleunigst umziehen. Ich habe da noch eine Bar zu betreuen.«
»Wo nimmst du bloß die Energie her!«
Lindsey drückte ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange. »Von meiner Mutter geerbt, genau wie mein Superaussehen.«
»Wirklich?«
Honey musterte ihr Spiegelbild in der Glasfront einer Vitrine.
Lindsey legte ihr liebevoll den Arm um die Schulter. »Schau nur«, sagte sie und schmiegte ihren Kopf an den ihrer Mutter. »Wir sehen eher wie Schwestern aus als wie Mutter und Tochter. Schnell, sag mir noch, ob du einen superattraktiven Polizisten kennengelernt hast?«
|61| Honey hatte gerade den Mund aufgemacht und wollte dies verneinen. Da fiel ihr Doherty ein.
Lindsey war ein schlaues Mädchen. Viel zu schlau für ihr Alter, überlegte Honey.
»Mutter, du wirst rot.«
»Nein, nein, nein, nein, nein. Das sind nur die üblichen Hitzewellen.«
Mit einem amüsierten Blick blieb Lindsey mit ihren langen, braungebrannten Beinen noch einmal bei der Tür stehen, ein freches Blitzen in den Augen. »Du magst ja meine Mutter sein, aber du bist auch eine Frau. Ich glaube, es wird langsam Zeit, dass du nicht nur für mich lebst. Gönn dir ein bisschen Romantik, Mutter. Das hast du dir verdient.«
Honey schnappte nach Luft. Als Geoff damals bei dem Bootsunfall umgekommen war, hatte sich Honey geschworen, immer und überall Lindsey an die erste Stelle zu setzen. Deswegen war sie längeren Beziehungen weiträumig aus dem Weg gegangen. Sie hatte vorhergesehen, was für Probleme ihrer kleinen Familie daraus hätten entstehen können. Sie hatte diesen Vorsatz nie laut ausgesprochen und war also einigermaßen überrascht, dass Lindsey wusste, welche Opfer ihre Mutter gebracht hatte. Und was jetzt?
Doherty kam ihr schon wieder in den Kopf – wie eine Sahneschnitte mit einer dicken Schicht Zuckerguss. Honey lächelte vor sich hin. Sündhaft, aber lecker.
Lindsey zwinkerte ihr zu. »So gut ist der, he?«
Als Honey endlich allein war, zwang sie sich,
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