Mord ist schlecht fürs Geschäft
dreimal verheirateten Frau. Honey hätte sich fast verschluckt.
»Was dieses Problem betrifft«, sagte Mary Jane gerade.
»Mehr als nur
ein
Problem, würde ich meinen«, murmelte Honey und folgte dem Professor und ihrer Mutter mit mürrischem Blick, bis sie aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden waren.
Ihre Mutter machte für ihr Leben gern die Bekanntschaft von Hotelgästen oder half irgendwo im Haus aus. Sie hielt sich für die offizielle Gesellschaftsdame des »Green River Hotels«, etwa so wie es sie auf Kreuzfahrtschiffen gab.
Zumindest tauchte sie dann nicht in der Küche auf. Gloria Cross hatte aus erster Hand erfahren, dass Smudger durchaus in der Lage war, nach dem großen Fleischermesser zu langen, wenn sie sich in seinen Verantwortungsbereich einmischte. Honey war da ganz auf seiner Seite. Gute Chefköche waren schwer zu finden, ständig störende Mütter dagegen im Dutzend billiger.
|67| Mary Jane unterbrach ihren Gedankenflug. »Ich habe ihr gesagt, dass sie sich irrt. Er kommt nie von dieser Seite des Hauses. Er erscheint immer aus Nummer fünf und geht dann den Treppenabsatz entlang. Mrs. Goulding behauptet allen Ernstes, dass er aus dem Wandschrank kommt und sie durchs Zimmer verfolgt. Na ja! Alles Unsinn. Da ist wohl der Wunsch der Vater des Gedanken, und der Rest ist Einbildung.«
Honey starrte die große, hagere Frau an, die neben ihr saß, und versuchte, den Sinn dieses Gesprächs zu erfassen. »Ein Mann verfolgt sie durchs Zimmer?«
»Sir Cedric! Sie glaubt, er kommt aus ihrem Wandschrank, und dabei wissen Sie und ich doch genau, dass er im Schrank in Nummer zwölf lebt – beziehungsweise sich dort materialisiert.«
»Ach so. Unser Hausgespenst.«
Es klang völlig abgedreht, aber Honey hatte sich inzwischen daran gewöhnt. Mary Jane war in den Siebzigern und behauptete, alles zu wissen, was es über das Jenseits und die dort ansässigen Geister zu wissen gab. Deswegen kam sie ja immer wieder ins »Green River« zurück, das ihrer Meinung nach besonders gern von den Geistern der Verblichenen heimgesucht wurde. Insbesondere hatte es ihr der Gentleman aus dem achtzehnten Jahrhundert angetan, der im Schrank in Zimmer zwölf residierte – in dem Zimmer, das Mary Jane immer lange im Voraus reservierte. Sir Cedric war ihr ganz spezieller Liebling.
Honey hörte geduldig zu. »Haben Sie Sir Cedric in letzter Zeit gesehen?«
Mary Jane schaute gekränkt. »Nein. Aber das soll nicht heißen, dass er mich verlassen hat. Schließlich bin ich seine Groß-groß-groß-groß-groß-Nichte.«
Und das war der Haken, überlegte Honey. Um nichts in der Welt hätte sie ihre alte Freundin verärgern wollen, aber sicherlich konnte man doch nicht behaupten, einen Geist tatsächlich zu besitzen, selbst wenn man mit ihm verwandt war. |68| Aber es war zwecklos, Mary Jane das begreiflich machen zu wollen. Sie hatte schon vor langer Zeit mit Bestimmtheit erklärt, es gebe auch für die Verblichenen feste Normen. So wie es aussah, hatte sie persönlich das Regelbuch dazu geschrieben.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Honey und tätschelte der Amerikanerin die Hand mit den Leberflecken. »Ich bin sicher, dass sie sich das alles nur einbildet. Und wie Sie selbst wissen, würde Sir Cedric Sie doch nicht verlassen und sich mit einer wildfremden Frau abgeben.«
Mary Janes Kummerfalten glätteten sich. »Nein! Natürlich nicht! Schließlich steht hier die Familienehre auf dem Spiel. Das habe ich ihr auch erklärt, aber sie hat wahrhaftig die Frechheit besessen, anzuzweifeln, dass Sir Cedric wirklich einer meiner Vorfahren war. Unverschämtheit! Ich habe ihr ins Gesicht gesagt, dass ich den Stammbaum höchstpersönlich erforscht habe.«
Bei der Erwähnung des Wortes Stammbaum horchte Honey auf. »Mary Jane«, setzte sie an, »es stimmt doch, dass man Geburtsurkunden und so was braucht, wenn man einen Stammbaum aufstellen will?«
»Das wäre am besten. Aber wenn es da Lücken gibt, findet man immer Spezialisten, die einem dabei helfen können.«
»Wirklich?«
»Natürlich. Mit wenigen Informationen – ein bisschen Familienklatsch und ein paar Gerüchten – kann man ganz schön weit kommen.«
»Wo würde man denn am besten anfangen, seinen Stammbaum zu erforschen, wenn man zufällig Amerikaner ist?«
Mary Janes strahlend blaue Augen funkelten noch ein bisschen mehr. »Das kommt drauf an. Ich kann Ihnen sagen, wo ich begonnen habe. Wollen Sie sich mit Ihren Ahnen beschäftigen?«
Honey schüttelte den Kopf,
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