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Mord ist schlecht fürs Geschäft

Mord ist schlecht fürs Geschäft

Titel: Mord ist schlecht fürs Geschäft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Aber mit welchen Schätzen der mechanischen Chronometrie würde er ihn diesmal in Versuchung führen?
    »Reiß dich zusammen«, murmelte er in seine makellos gebundene Krawatte hinein. Er strich sich das Haar aus der Stirn, um seine Nerven ein wenig zu beruhigen. Als er sich wieder halbwegs im Griff hatte, drückte er gegen die Tür.
    Eine altmodische Türglocke bimmelte über seinem Kopf. Mechanisches Surren, Ticken, Klopfen, Kratzen und mattes Hämmern erfüllte den Raum. Dazu kam noch ein starker Geruch nach Bienenwachs und Leinöl. Ganz gleich, wie sehr er |84| um Haltung rang, hier packte stets etwas sein Herz, das beinahe Leidenschaft hätte sein können.
    Messing, Mahagoni, Eiche, Ahorn und Marmor, Verzierungen in französischem Ormulu – Uhren aller Art umgaben ihn, ihr Ticken und Läuten drang süß wie Liebesworte an sein gespitztes Ohr und seinen gebildeten Verstand. Instinktiv wusste er, dass heute etwas Besonderes auf ihn wartete.
    Da stand sie, auf einer Kommode mit s-förmig geschwungener Vorderfront und fadenzarten Messinggriffen. Simon hatte ein Händchen dafür, Dinge aufs Vorteilhafteste auszustellen. »Präsentation ist die halbe Miete, Meister«, sagte er immer. Recht hatte er. Der honiggelbe Schimmer des Satinholzes betonte die eiskalte Perfektion des weißen Porzellans noch. Die Uhr war herrlich: über einen Meter breit und gut neunzig Zentimeter hoch, mit Figuren aus Meißener Porzellan um ein Zifferblatt aus Porzellan mit Messingziffern.
    Liebevoll strich Casper mit dem Finger über die wunderbar ausgebildeten Muskeln des Schäfers. »Göttlich«, hauchte er.
    »Woll’n Sie die?«
    Wie ein grinsender Satyr erschien Simon Tyes Visage über der Uhr, einen knochigen Ellbogen hatte er neben der Porzellanschäferin aufgestützt, die sich lässig an die runde Wölbung des Zifferblatts schmiegte.
    Casper trat näher. Seine Augen nahmen jede winzige Einzelheit wahr: den Schäfer, der ein Lamm auf der Schulter trug, die Schäferin, die einen Krummstab in der zarten Hand hielt und deren Rock sich wie ein Kürbis zwischen ihrer schmalen Taille und den anmutig schlanken Fesseln aufbauschte. Vor den beiden tummelten sich Schafe und Lämmer, und über ihnen hielten elegante Najaden das Zifferblatt an Porzellanbändern.
    Die Uhr war wunderschön. Unzählige Fragen lagen ihm auf den Lippen, aber hauptsächlich kalkulierte er den Preis. »Sehr schön, aber nicht die Beste dieser Art, die ich je gesehen habe.« Das war eine glatte Lüge, und Casper konnte am Gesichtsausdruck des Ladeninhabers ablesen, dass der das |85| auch wusste. Es war ihm gleichgültig. Er würde dreist weiter auf dieser Schiene weitermachen.
    Simon grinste, als durchschaute er ihn. Es sah beinahe so aus, als sei er Teil der Uhr, wenn auch wesentlich weniger schön: breiter Mund, mandelförmige Augen und ein Wust von blaugrauem Haar, der einen Überrest roten Knorpel und ein klaffendes Loch verdeckte – alles, was von seinem linken Ohr noch übrig war. Das hatte man davon, wenn man Kerle aus dem Londoner East End verpfiff. Kein Wunder, dass er in Richtung Westen aufgebrochen war und diesen Uhrenladen aufgemacht hatte.
    »Ich wusste, Sie würden sie haben wollen, sobald Sie nur einen Blick darauf geworfen haben, Mr. St. John, Sir.«
    Casper leckte sich die trocken gewordenen Lippen. Der verdammte Mistkerl! Er versuchte, das Lächeln zu ignorieren, das sich auf Simons Gesicht breitmachte. Zum Teufel mit ihm! Er konnte nicht widerstehen, streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingern über die glänzende Glasur. Ein Beben durchfuhr seinen Körper. Er atmete tief, ehe er die erste Frage stellte.
    »Meißen?«
    »Haargenau!« Simons Lächeln war unverändert. Es bereitete ihm ungeheueres Vergnügen, wenn jemand sich so vor ihm wand, besonders, wenn dieser Jemand so mit seinem Reichtum protzte wie Casper. »Ist vor vielen Jahren für die Pariser Weltausstellung gemacht worden. Großartig, was?«
    Casper zuckte innerlich zusammen, aber der Teufel sollte ihn holen, wenn er sich das alles gefallen ließ, ohne dem Kerl ein wenig in eigener Münze zurückzuzahlen.
    »Auf legalem Wege erworben, Mr. Tye?«
    Simon schaute verletzt drein. »Ach, auf einmal ist es Mr. Tye? Versuchen Sie, mich aus dem Gleichgewicht zu bringen, mich übers Ohr zu hauen und das Ding für ’n Appel und ’n Ei mitzunehmen? Das war’n völlig rechtmäßiger Kauf. Ehrenwort!« Zur Bekräftigung legte er die Hand auf die |86| schmale Brust – ungefähr dahin, wo sich sein

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