Mord ist schlecht fürs Geschäft
mühsam eingezogen hatte, durfte sich wieder zu seiner natürlichen Puddingform entspannen. »Du lieber Gott«, murmelte sie, »er ist doch nur ein Tourist, der irgendeinen geheimnisvollen Ausflug macht! Das ist jedenfalls meine Meinung.«
Steve Dohertys Gesicht wurde steinhart. »Mrs. Herbert, heute wurde am Pulteney-Wehr eine Leiche aus dem Wasser gezogen. Wir glauben, dass es sich dabei um die Leiche Ihres |94| ehemaligen Gastes, eines Mr. Elmer Weinstock oder Maxted, handelt. Wir möchten Sie – oder Ihren Mann – bitten, ihn zu identifizieren.«
Nun war Cora Herbert der Wind aus den Segeln genommen. Sie schaute überaus verdattert drein. Ihre botoxgeblähte Lippe hing schlaff und zitternd herab. Die Augen traten ihr aus dem schwammigen, bleichen Gesicht.
Doherty fürchtete sich immer noch vor Coras Absichten und überließ gern Honey die Initiative.
»Gut«, sagte die. »Dürfen wir hereinkommen und von Ihnen erfahren, was Sie wissen?«
Cora nickte und trat in den in Grün und Weiß gehaltenen Eingangsbereich.
Honey erinnerte sich an die dicke Luft im Wintergarten und bereitete sich darauf vor, nur ganz flach zu atmen. Zu ihrer Erleichterung führte Cora sie in den Aufenthaltsraum für Gäste. Deutlich sichtbar prangte auf dem Kaminsims ein Zeichen »Nichtraucher«. Dass dieses Zimmer viel angenehmer als der Wintergarten roch, war wohl einer ganzen Dose Raumspray zu verdanken. Maiglöckchen, dem Duft nach zu urteilen.
Cora Herbert bot ihnen keinen Tee an, bat sie auch nicht, sich hinzusetzen, doch das machten sie auch ohne Aufforderung. Cora hockte sich auf die Armlehne eines Sessels, der ihnen unmittelbar gegenüber stand – wie ein Geier, der sich noch nicht entschieden hatte, ob er wegfliegen oder bleiben und ihnen die Augen aushacken sollte.
Steve Doherty zog ein Notizbuch und einen elegant aussehenden Kugelschreiber hervor. »Gut!«
Honey linste ihn von der Seite an. Der Mord hatte seine ernste Seite zum Vorschein gebracht. Trotzdem sah es aus, als ginge er die Sache ganz lässig an. Honey spürte jedoch, dass er alles andere als entspannt war. Sie bemerkte, dass er auf dem Blatt eine Liste machte und einen Posten nach dem anderen abhakte – viel zu langsam für ihren Geschmack. Es übermannte sie ein überwältigendes Verlangen,
alles
zu |95| erfahren, und zwar
sofort
. Sie merkte, dass sie die Sekunden zählte, bis er endlich die erste relevante Frage stellte.
Offensichtlich jagte ihm Cora Herbert eine Höllenangst ein. Aber, großer Gott, der Mann war doch Polizist! Waren die nicht tapfer, furchtlos und verwegen? Fang endlich an! Los! Fang an!, dachte sie.
Das tat er nicht. Also machte sie es. »Können Sie mir sagen, wer hier war, als Sie den Mann, den Sie als Mr. Weinstock kannten, zum letzten Mal gesehen haben?«
Polizisten waren doch gewöhnlich so energisch, zumindest die im Fernsehen. Steve Doherty schien beinahe erleichtert, dass sie die Führung übernommen hatte.
Wie manche Frauen in einem gewissen Alter mochte es Cora nicht, wenn andere Frauen zu dominant waren. Sie richtete ihre Antwort direkt an Doherty, während sie mit den Händen an den Oberschenkeln entlang den Rock glattstrich. »Also zunächst mal natürlich Mervyn, und dann meine Tochter Loretta.«
»Wie alt ist die?«
»Siebzehn.« Sie lächelte schwach, aber ihr affektiertes Gehabe behielt selbst nach den jüngsten Ereignissen die Oberhand. »Ich war noch sehr jung bei ihrer Geburt, wissen Sie …«
Knarrend ging die Tür zum Aufenthaltsraum auf. Die Wahrheit kam ins Zimmer gestürmt. »Ich bin beinahe achtzehn, und meine Mama ist nicht so jung, wie sie behauptet!« Diese Richtigstellung kam von einem viel zu auffällig geschminkten Mädchen. In ihrem blonden Haar prangten Strähnchen in drei verschiedenen Rottönen. Die Ohrringe waren so groß, dass man daran hätte schaukeln können, und sie trug allein an der rechten Hand sechs Ringe.
Doherty nickte zur Begrüßung und wandte sich wieder Cora zu. »Also …«
Schwätzer, dachte Honey und nutzte den Vorteil aus, indem sie ihre Frage direkt an Loretta richtete.
»Der Mann, den Sie als Mr. Weinstock kannten, ist tot. Haben |96| Sie mit ihm geredet, während er hier wohnte? Sie wissen schon, so ganz allgemein, guten Morgen und wie ist das Wetter?«
Sie spürte, wie sich Dohertys ärgerlicher Blick von der Seite in ihren Kopf bohrte. Sie ignorierte ihn.
Lorettas Ohrringe klimperten, als sie die Arme unter ihrem jugendlich flotten Busen verschränkte. Eindeutig:
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