Mord ist schlecht fürs Geschäft
dem Handrücken über die Stirn. Er sah sich mit großen Augen um. »Ich denke mal, in diesem Wintergarten hat sich seit Königin Viktorias Zeiten nichts geändert.«
»Irgendwie gruselig hier. Finden Sie nicht, dass die Pflanzen aussehen wie das entflohene Grünzeug aus
Die Triffids
?«
|226| »Sie sind ein bisschen arg tropisch.«
Seine Stimme hatte ein wenig von der Ruhe verloren, an die sie sich gewöhnt hatte.
»Sie fühlen sich hier auch nicht wohl, stimmt’s?«, fragte sie.
Er schüttelte den Kopf und sah ihr geradewegs in die Augen.
»Ich reagiere instinktiv auf Orte. Ich registriere die Schwingungen.«
»Bitte jetzt keine übersinnlichen Geschichten.« Sie erzählte ihm von Mary Jane. »Ein Doktor der Parapsychologie reicht mir vollkommen.«
Charlborough hatte seinen eindrucksvollen Auftritt, als John gerade zu Ende gelacht hatte. Er kam mit großen Schritten und ausgestreckter Hand auf sie zu, sein Gesicht ein Bild patrizischen Wohlwollens.
Offensichtlich kleidete er sich gern vom Scheitel bis zur Sohle Ton in Ton. Heute trug er einen lässigen Pullover aus blassgrüner Lammwolle und passende Hosen. Aus dem V-Ausschnitt des Pullovers schaute der Kragen eines karierten Hemdes hervor.
»Na so was, Rees. Wie geht es Ihnen, mein Lieber?«
»Sehr gut, Sir. Ich dachte, ich fahre mal raus und gehe noch einmal mit Ihnen alles durch – wenn es Ihnen nicht ungelegen kommt?«
»Nein, nein, mein Lieber! Überhaupt nicht!«
Vielleicht lag es daran, wie John gefragt hatte oder daran, wie er dabei geschaut hatte, jedenfalls schien Charlborough völlig außerstande zu sein, ihm etwas abzuschlagen. Er strahlte menschliche Wärme und Willkommen aus, ganz anders als neulich bei ihrem Besuch mit Doherty. Doherty war ein Kämpfertyp. Sie eigentlich auch, wenn sie es recht bedachte.
Als Charlboroughs Augen auf sie fielen, wurde sein Lächeln ein wenig dünner.
»Das ist Honey Driver. Sie sammelt Kleidungsstücke aus vergangenen Epochen«, erklärte John.
|227| Honey fand es nicht der Mühe wert, offensichtliche Tatsachen zu leugnen. »Wir kennen uns schon.«
Sie schüttelten einander die Hand. Erst huschte eine Erinnerung über sein Gesicht, dann hatte er sich wieder im Griff. Sein Lächeln war gezwungen, sein Handschlag schlapp.
»Ich war in meiner Eigenschaft als Kontaktperson des Hotelfachverbandes hier. Ich habe Sie nach Elmer Maxted befragt.«
»Ah ja«, erwiderte er mit einem steifen Kopfnicken. »Ich meine mich zu besinnen, dass Ihnen ein amerikanischer Tourist abhanden gekommen war.«
Seine Wortwahl irritierte sie. Ihr Lächeln war so steif und kühl wie das seine. »Nein, abhanden gekommen ist er uns nicht. Er wurde ermordet.«
»Ah! Und hat die Polizei den Übeltäter bereits verhaftet?«
Sie konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass er es bereits wusste. Nachrichten breiteten sich aus wie Lauffeuer – unter den »alten Kameraden« gab es bestimmt jede Menge Polizeichefs und Richter.
»Sie haben jemanden verhaftet. Ob sie ihm das Verbrechen nachweisen können, ist wie immer ein andere Sache.«
»Ja, gewiss.« Er wandte sich sofort wieder John zu. »Nun, was meine Uhr betrifft …«
Honeys Blick wanderte zum Garten und dem Park jenseits des dichten Laubs und des schwülen Wintergartens. Ein Kirchturm erhob sich über einer Reihe von Zitterpappeln in den Himmel.
Die nur für die monströsen Pflanzen hier drin erzeugte feuchte Hitze war unerträglich. Honey begann, sich mit dem Handrücken den Schweiß von den Wangen zu tupfen.
»Es tut mir leid«, unterbrach sie die Unterhaltung der beiden Männer, »könnte ich einen Augenblick nach draußen gehen, um frische Luft zu schnappen?«
Kurz spiegelte sich Unentschlossenheit auf Charlboroughs Gesichtszügen, während er abwägte, was schlimmer wäre: ihr die Bitte abzuschlagen oder zu gewähren.
|228| »Entschuldigen Sie bitte, dass wir Sie langweilen«, sagte John so leichthin wie nur möglich. »Wir wandern gerade durch die Gefilde der Geschichte.« Er grinste zu Sir Andrew hinüber. »Nicht jeden fasziniert dieses Thema so sehr wie uns. Ein wenig frische Luft fegt einem die Spinnweben aus dem Hirn, sagt man.«
Charlboroughs Gesichtsausdruck schwankte zwischen Arroganz und schmerzvoller Nachsicht. »Natürlich.« Er wandte sich Honey zu. »Bitte bleiben Sie im Gartenbereich. Auf dem restlichen Gelände habe ich einige Projekte angefangen.«
Sie erkundigte sich nicht danach, was das wohl für Projekte sein mochten, aber die bloße
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