Mord ist schlecht fürs Geschäft
an.
»Hallo. Hier ist John Rees.«
Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Gleich sah der Tag viel heller aus. Was hatte Lindsey gesagt? Besser von zwei Männern begehrt zu werden als nur von einem.
»Einen Augenblick.«
Ihre Mutter legte fragend den Kopf schief. »Wer ist dran?«
»Für mich privat.«
Sie ging mit dem Telefon nach draußen. Das Sonnenlicht spielte auf den Blättern, die vor einem hellblauen Himmel leise im Wind raschelten. Der Tag wurde besser und immer besser.
»Ich habe mir gedacht, wir müssen noch ein paar Dinge besprechen.«
Der Klang seiner Stimme erinnerte sie an die Typen aus den Südstaaten, die bei Elvis Presley Begleitsänger waren: Es war so ein näselnder, rauchiger Tonfall. Ihre Knie wurden ganz weich.
Sie verabredeten sich im »George« in Norton St. Phillip, einem uralten Gasthof ein paar Meilen außerhalb der Stadt. Hier bestand schon seit beinahe tausend Jahren eine Wirtschaft, und jetzt war sie Museum und Gastwirtschaft in einem. Ledernes Zaumzeug, alte Steinschlossgewehre, rostige Landwirtschaftsgerätschaften und blanke Messinglaternen hingen von den Balken. Ein paar Broschüren lagen aus, in denen es hieß, dass hier schon seit dem vierzehnten Jahrhundert gebraut wurde. Eine Gruppe japanischer Touristen mit Kameras um den Hals schaute sich gerade begeistert um. Einer nach dem anderen gingen sie zur Bar, studierten die Broschüren und nahmen mit, was sie interessierte.
Nordamerikanische Akzente mischten sich mit kanadischen, australischen, neuseeländischen und südafrikanischen. Französisch, Italienisch, Deutsch und Holländisch gesellten sich zum Japanischen und Spanischen. Es war viel los – wie gewöhnlich.
|219| »Wow! Unschlagbar!«, rief John, warf den Kopf in den Nacken und riss bewundernd die Augen auf. »Das ist alles so … alt! Ist das nicht einfach … wunderbar?«
»Ist alles schon ziemlich lange hier«, erwiderte Honey und hatte sofort ein schlechtes Gewissen wegen dieser unendlich lahmen Bemerkung. Sie hatte so sehr gehofft, einen guten Eindruck zu machen, aber was war das denn jetzt?
»Interessieren Sie sich für Geschichte …?« Sie unterbrach sich. »Entschuldigung, natürlich tun Sie das. Genau darum geht es ja in der Ausstellung, nicht?« Wenn sie jünger gewesen wäre, wäre sie rot geworden. Dieser neckische Gedanke huschte ihr durch den Kopf und verdrängte dort sogar den Wunsch, doch noch an alle Türen mit der Nummer sechs und neun zu klopfen – zumindest zeitweilig. Sie fühlte sich Elmer Maxted irgendwie verbunden. Er war hierhergekommen, um seine Wurzeln zu suchen. Das konnte sie verstehen. Als Tochter eines Amerikaners und einer Engländerin hatte sie immer zwischen beiden Welten geschwebt, nie recht gewusst, wo sie hingehörte. Nachdem ihr Vater einmal in Ungnade gefallen war, hatte ihre Mutter ihn nämlich völlig verdrängt.
Genauso ist es bei Geoff und mir gelaufen. Konnte so was erblich sein? Ihr schauderte bei dem bloßen Gedanken.
John bestellte das Essen. Sie hatte ihm beinahe automatisch geantwortet, was sie gern haben wollte: Krabbensalat mit westindischen Gewürzen.
Sie waren beide mit dem Auto gekommen, tranken also nur Alkoholfreies. Als alles bestellt war, wandten sie sich ernsteren Themen zu – jedenfalls so ernst, wie es nötig war.
»Wie lange führen Sie das Hotel schon?« Diese Frage musste ja kommen.
»Jetzt zwei Jahre.«
»Das muss Spaß machen.«
»Manchmal. Ich habe gern mit Menschen zu tun. Hin und wieder möchte ich mich allerdings auch vor ihnen verkriechen.«
|220| »Verständlich. Ich nehme an, Sie haben nicht gerade viel Freizeit.«
»Lange nicht genug. Zumindest komme ich mit dieser Polizeigeschichte ab und zu mal aus dem Haus. Das ist eine interessante neue Seite am Gastgewerbe.« Sie überraschte sich selbst, wie sie da munter über den Mordfall plapperte und erzählte, was Steve gesagt hatte und was sie gesagt hatte. Sie konnte sich gerade noch bremsen.
John fragte sie nicht, ob sie verheiratet, geschieden oder verwitwet wäre.
»Ich habe Ihre Mutter und Ihre Tochter kennengelernt.«
Honey zog eine Grimasse. »Alles, was meinem Leben Süße und scharfe Würze gibt – aber fragen Sie mich nicht, wer was tut.«
»Ihre Tochter sieht Ihnen so ähnlich – und Ihre Mutter …«
Sie bewegte warnend den Zeigefinger. »Sagen Sie jetzt bloß nichts von Hexenbesen! Abgemacht?«
»Das wollte ich gar nicht. Ich wollte sagen, dass Sie ein richtiges Original ist.«
»Das ist mal eine Beschreibung
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