Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Scott
Vom Netzwerk:
der sich verdunkelt hatte. Die Sonne ging hinter den Ahornbäumen unter. Ihre sterbenden Strahlen fluteten den Himmel in einem leuchtenden Orange. Es war an der Zeit, aktiv zu werden.
    Anne packte die Mülltüte, verschloss sie mit der Zugschnur und stellte sie zu den anderen am Kopfende einer kleinen Gasse. Sie machte sich auf den Weg zum Parkway, blieb nur kurz vor ihrem Haus stehen, betrachtete die Blumen auf der Vordertreppe. Wieder sah sie das Bild hinter der Eingangstür vor sich. Die grausame Obszönität eines Mordes. Der Gestank des Todes. Willa war dort gestorben, und nun würde sie ihren Mörder seiner gerechten Strafe zuführen.
    Sie schloss sich der Menge an, die zum Parkway strömte, musterte im Gehen die Leute ringsumher; rief sich Kevins neue dunkle Haarfarbe ins Gedächtnis, die Form seines Kopfes und hielt nach dem geringsten Anzeichen von ihm Ausschau. Gott allein wusste, was er für Kleidung trug. Etwas Unauffälliges. Anne sah sich um. Sie hatte den Eindruck, von dreihundert Flaggen-T-Shirts umringt zu sein. Keiner von ihnen war Kevin.
    Während sie in der Menge immer weiter, ging, ließ sie die Hand in ihre Tasche gleiten, umfasste die Beretta, um sich sicher zu. fühlen. Auf dem Ben Franklin Parkway sah man vor lauter Menschen keine Häuser mehr. Die acht Fahrspuren des Boulevards lagen unter einem Himmel in verschwommenem Rosa, Aquamarinblau und den herrlichen Amethysttönen. Die Dämmerung hatte eingesetzt.
    Die geometrische Skyline der Stadt war für den Feiertag in Rot, Weiß und Blau getaucht. Die Leuchtschrift auf dem Peco-Gebäude wünschte in einer unablässigen Schleife aus Lichttupfern einen FRÖHLICHEN UNABHÄNGIGKEITSTAG. Die abendliche Luft war angefüllt mit Gesprächen, Gelächter und Kinderstimmen, es roch nach Insektenspray und Bier. Rechts von Anne lag das Art Museum, ein gewaltiges klassisches Gebäude, das für gewöhnlich in dezentes bernsteinfarbenes Licht getaucht war, jetzt aber in einem grellen Rot-Weiß-Blau leuchtete. Laser fuhren über den Nachthimmel. Die gewaltige Kalksteintreppe, die Rocky Balboa im Kinofilm hinaufgelaufen war, lag versteckt hinter einem Stahlgerüst mit Bühne und einer ganzen Reihe von Bühnenscheinwerfern. Eine Vorgruppe spielte auf der Bühne, ihre elektrischen Gitarren kratzten durch die Lautsprecheranlage im Geäst der Bäume.
    Anne sah auf ihre Uhr. Zwanzig Uhr. Es war beinahe dunkel. Sie beschleunigte ihre Schritte, als sie über das Baseballfeld des Parkway lief, das nun mit Decken, Klappstühlen und unzähligen Menschen gefüllt war, die ungeduldig auf das Feuerwerk warteten. Anne bahnte sich ihren Weg durch die Verkaufsstände, die Limonade, Hotdogs, Zuckerwatte, Süßigkeiten und Softeis anboten. Wer jetzt noch ein Riesensandwich für einen Dollar zum Abendessen wollte, musste sich in die Schlange vor dem Zelt einreihen. Auch Anne lief darauf zu, während ein Trommelsolo durch die Lautsprecher donnerte und in der Nachtluft widerhallte.
    Sie konnte die Straße nur mühsam überqueren, da sich Menschenmassen vor der Bühne drängten, die auf den Auftritt der Prominenten warteten. Nach der Unabhängigkeitserklärung gab es das Feuerwerk, zu dem eine Million Menschen erwartet wurden, und es war beinahe unmöglich, sich einen Weg durch die Menschen zu bahnen, die Schulter an Schulter standen. Anne nahm ihre Hand nicht von der Beretta in ihrer Tasche. Endlich überquerte sie den Parkway zum Eakins Oval, einer Anlage aus Rasen, Gärten und Brunnen, der vor dem Art Museum lag.
    Jetzt wurde die Unabhängigkeitserklärung vorgelesen, und selbst im Straßendialekt eines Rap-Stars klangen die Worte herrlich: »Wenn es im Lauf menschlicher Begebenheiten für ein Volk nötig wird, die politischen Bande, wodurch es mit einem anderen verknüpft gewesen, zu trennen und unter den Mächten der Erde eine gesonderte und gleiche Stelle einzunehmen ...«
    Anne reckte den Hals über die Menge, um ihren Weg zu erkundschaften. Sie erhaschte einen Blick auf die dunkle Statue von George Washington auf dem Rücken eines Pferdes. Er ritt in der Mitte des größten Rundbrunnens im Eakins Oval, flankiert von zwei kleineren Rundbrunnen, deren Wasserfontänen rot, weiß und blau angestrahlt wurden. Das weiße Plastikvordach des Riesensandwich-Zeltes lag direkt dahinter, und darunter drängelten sich die Menschen. Verdammt. Wie sollte Kevin sie in diesem Gewimmel finden? Und konnte sie in einer Menschenmenge wirklich eine Waffe ziehen? Plötzlich kamen ihr Zweifel an

Weitere Kostenlose Bücher