Mord mit kleinen Fehlern
sollten, aber wir haben es dann doch getan. Meine Frau Shirley und ich waren sehr besorgt. Sie müssen sie kennen lernen!« Mr. Kopowski berührte mit zittriger Hand eine mollige Frau, die neben ihm stand. Sie drehte sich um, und ihr Seniorengesicht erstrahlte, als sie Anne sah.
»Meine Güte, Sie sind es wirklich!«, rief Mrs. Kopowski. Sie trug ein beigefarbenes Leinenkleid mit einer Bernsteinkette.
»Ja. Hallo«, sagte Anne. Sie streckte die Hand aus, aber Mrs. Kopowski hatte sie schon in die Arme geschlossen und drückte sie fest an ihren weichen Busen. Sie roch nach Lavendelseife.
Die Köpfe der Menge drehten sich einer nach dem anderen nach Anne um. Die Nachbarn strömten zu ihr, plauderten und lachten. »Ms. Murphy! «, rief ein Mann mittleren Alters im Madrashemd und Bermudashorts. »Wir haben uns noch nicht kennen gelernt, aber ich wohne gegenüber von Ihnen, in 2258.«
»Hi ...«, wollte Anne gerade sagen, als eine Frau mit einer blauen Schaumstoffkrone rief: »Anne Murphy! Anne Murphy! Sie sind nicht tot! Ich habe Ihre Mutter im Fern- sehen gesehen. Es war bewegend, wirklich bewegend!«
Alle redeten gleichzeitig mit Anne, stürmten mit Fragen auf sie ein, dass sie mit den Antworten gar nicht nachkam. Plötzlich spürte sie eine Hand auf dem Rücken. Anne drehte sich erschreckt um, und sie erkannte einen weiteren lächelnden Nachbarn, begeistert, dass sie noch lebte, besorgt, dass so etwas Schreckliches in ihrer Straße passiert war, begierig nach weiteren Einzelheiten. In kürzester Zeit hatte die Menge sie völlig in Beschlag genommen, sie als Nachbarin aufgenommen, die sie nie gewesen war. Man begrüßte sie mit offenen Armen und warmem Bier. Zum ersten Mal verstand sie, wie viele Menschen von einem Mord betroffen waren und wie sehr die Tat jeden einzelnen Anwohner der Straße erschüttert hatte. Die ganze Zeit hielt sie in der Menge Ausschau nach Kevin, aber falls er unter ihnen war, hatte sie ihn noch nicht entdeckt. Sie sorgte sich um Matt und hätte zu gern gewusst, wo Bennie und die Mädels jetzt waren. Früher oder später würden sie sie finden, und Anne hoffte, es würde erst so weit sein, wenn sie Kevin aus seinem Versteck gelockt hatte.
»Ms. Murphy, Ms. Murphy! Bitte ein paar Fragen!«, rief ein Mann hinter Annes Rücken, und sie spürte, wie sie grob angestoßen wurde. Sie drehte sich um und sah direkt in die Linse einer Videokamera. Ein Reporter tauchte neben der Kamera auf, ein untersetzter Mann in weißem T-Shirt und Jeans. Sein Bierbauch wölbte sich über eine goldene Gürtelschnalle. »Ms. Murphy, erzählen Sie uns mehr über Kevin Satorno? Möchten Sie einen Kommentar abgeben? Ms. Murphy? «
»Ich werde keine Fragen beantworten«, erklärte Anne, bemüht, die Fassung nicht zu verlieren. Die Presse war auch da. Es war nur logisch, dass einige zum Straßenfest kommen würden. Diese Crew hatte Glück gehabt und sie gefunden. War das auch ihr Glück?
»Kommen Sie schon, lassen Sie es raus. Stimmt es, dass Sie mit Satorno verlobt waren? « Die Kameralinse fuhr auf Anne zu, und ihre Nachbarn blickten grimmig. Ein alter Mann, von dem sie wusste, dass er ein pensionierter Chemiker war, bahnte sich einen Weg auf den Reporter zu und schwenkte einen knochigen Finger vor der Kamera.
»Sie sind hier nicht eingeladen, Sir!«, rief er, und seine altersschwache Stimme tremolierte. »Das Fest ist nur für Anwohner. Wir haben eine Erlaubnis. Wie sind Sie bloß an Mr. Kopowski vorbeigekommen? Er hat in der Ardennenschlacht gefochten!«
Mr. Berman baute sich neben ihm auf. »Sind Sie Reporter? Sie haben hier nichts zu suchen! Gehen Sie lieber, bevor wir die Cops rufen. Einer von Ihnen hat gestern einen Blumentopf von meiner Treppe gestoßen!«
Anne hatte nur ihren Plan im Kopf. »He, Kumpel!«, rief sie dem Reporter zu. »Warum fragen Sie mich nicht, was ich als Nächstes tun werde, da ich jetzt doch nicht tot bin? Wie es die Spieler nach dem Superbowl immer gefragt werden.«
»Sie fährt nach Disneyworld!«, fiel Mr. Simmons, ein weiterer Nachbar, ein. Andere Nachbarn kamen näher, umringten den Reporter und den Kameramann.
»Ja, fragen Sie sie, was sie als Nächstes machen wird!«, rief Mr. Monterosso.
Ein anderer brüllte: »Genau! Druckt zur Abwechslung mal was Positives!«
Ein dritter Nachbar rief: »Das zeigen Sie doch bestimmt nicht im Fernsehen, oder? Sie bringen nie angenehme Dinge, nicht mal an Feiertagen.«
Der Reporter wandte sich grinsend Anne zu. »Na gut, Ms. Murphy, was
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