Mord mit kleinen Fehlern
haben Sie vor? Fahren Sie nach Disneyworld?«
»Philly am vierten Juli verlassen? Niemals!«, antwortete Anne in die Kamera, in der Hoffnung, dass das Interview ausgestrahlt würde. Sie dankte Gott, dass Bennie fernsehen hasste. »Heute Abend werde ich den Geburtstag unseres Landes feiern - und zwar auf typische PhillyManier! Ich werde ein Riesensandwich im Riesensandwich-Zelt essen und mir dann das Feuerwerk vor dem Art Museum ansehen! Und ich wünsche allen einen wunderschönen Feiertag!«
Die Nachbarn jubelten, lachten und johlten, und Mr. Berman wedelte mit seinem Krückstock wie ein Tambourmajor. »So, Mr. Reporter, jetzt haben Sie Ihre Geschichte. Ziehen Sie los und senden Sie sie! Ziehe n Si e Leine!«
»Ja! Verschwinden Sie! Sie wohnen hier nicht! Es ist nur
für Waltin-Street-Bewohner!«, brüllte Mrs. Berman, und ein Teenager; die tätowierte Tochter eines Psychologieprofessors, stimmte einen Sprechgesang an.
»Auf der Waltin Street gibt's heut 'nen großen Beat. Auf der Waltin Street gibt's 'nen großen Beat.«
Alle Nachbarn fielen ein und schlugen den Reporter und den Kameramann mit ihrem Chor in die Flucht.
Anne sang am lautesten von allen, brüllte mit voller Kraft, nicht damit Kevin Satorno zuhörte, sondern weil sie sich dadurch besser fühlte, glücklich, als Teil einer ganz besonderen Gruppe, einer Gruppe, die einen Häuserblock bewohnte, der zu vielen weiteren Häuserblocks in dem historischen Straßennetz Philadelphias gehörte, in dem die Vereinigten Staaten von Amerika gegründet worden waren. Ben Franklin hatte dieses Straßennetz entworfen, wie ihr mit neu gewonnenem Stolz einfiel. Mentale Notiz: Beim Patriotismu s geh t e s i m Grund e u m Zugehörigkeit , und Ann e gehört e gena u hierher.
Doch langsam wurde es Zeit, aktiv zu werden.
28
Die Sonne stand noch immer relativ hoch, glühte aber in einem abendlichen Orangeton und machte sich allmählich an den Abstieg. Die Luft hatte eine drückende Feuchtigkeit angenommen, und Annes Kleid klebte ihr an der Haut. Sie sammelte Müll von der Straße und zwischen den geparkten Wagen auf und stopfte ihn in eine Mülltüte, wobei sie jede Person, an der sie vorbeikam, genau inspizierte. Obwohl nichts darauf hinwies, dass Kevin sie beobachtete, wuchs ihre Anspannung zusehends.
Anschließend half sie ihren Nachbarn, Flaschen fürs Recycling zu sammeln, Picknicktische aus Aluminium zusammenzuklappen und die Reste eines
Nudel-Paprika-Salats in Folie zu packen. Sie schleppten gemeinsam die Absperrungen von der Straße, um der Stadt ihre Enklave zu öffnen, die die Waltin Street ein paar Stunden lang gebildet hatte. Sogleich strömten mehr Fußgänger durch ihre Straße, auf dem Weg zum Parkway, um sich den besten Platz für das Feuerwerk zu sichern. Die Leute führten Strandstühle, eingerollte Sisal-Matten und Decken mit sich. Ein Kind, das seinem Vater hinterherlief, hielt ein paar Räucherkerzen, die die Luft mit ihrem Geruch erfüllten.
Anne sah auf ihre Uhr. 19 Uhr 15. Die Zeit verstrich im Nu und riss sie mit sich. Sie hatte einen Plan der Festakte auf dem Parkway gesehen. Es fing mit einer »Lesung der Unabhängigkeitserklärung durch Prominente« an, dann kam der Verkauf der Riesensandwiches für je einen Dollar und schließlich um 21 Uhr das Feuerwerk. Sie wollte noch eine Weile auf der Waltin Street bleiben und dann zum Riesensandwich-Zelt gehen. Es war beinahe Zeit.
Anne beugte sich zu Boden, hob ein zerknautschtes Einwickelpapier auf und warf es in ihren Müllbeutel. Als sie sich aufrichtete, spürte sie das Gewicht der Beretta in ihrer Tasche. Sie. hatte die Waffe in dem Hochgefühl des Straßenfestes beinahe vergessen. Nachdenklich hielt sie inne. Gab es eine Alternative? Nein. Wenn das heute Nacht nicht endet, wird es niemals enden. Erst wenn ich tot bin. Sie warf den Müll in die Tüte und wollte gerade zu einem ausrangierten Pappbecher gehen, als ihr Handy klingelte.
Auf dem Display leuchtete Matts Handynummer auf. Bennies zahlreiche Anrufe hatte Anne nicht erwidert, aber diesen Anruf würde sie annehmen. Sie drückte den Sprechknopf. »Matt?«, fragte sie und senkte ihre Stimme. »Wo bist du? Ich habe versucht ...«
»Ich habe deine Nachrichten erhalten.« Seine Stimme klang nervös. »Wie geht es dir? Alles okay mit dir? «
»Ja, bestens. Ehrlich.« Anne hielt sich das andere Ohr zu, um ihn besser zu verstehen, und suchte sich eine ruhige Ecke. Sie erzählte ihm kurz von dem Debakel mit dem Ehe- paar Dietz, ließ
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