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Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Scott
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Wasser. Ich habe eine Flasche dabei.« »Warten Sie, ich helfe Ihnen hoch.« - »Ich rufe einen Notarzt.«
    Kevin ist wieder da.
    Die Furcht ließ Anne wieder klar denken. Verjagte ihre Schwindelgefühle und brachte ihre Beinmuskulatur in Bewegung. Erinnerte ihren Körper an den ältesten aller Instinkte. Anne sprang auf und hechtete ohne ein Wort davon. Die Männer würden ihr das schlechte Benehmen nachsehen. Sie rannte um ihr Leben.
    Ihre Füße schlugen dumpf auf der Promenade auf. Ihre Schenkel schmerzten angesichts der plötzlichen Anstrengung. Das Eisengeländer entlang der Promenade verschwamm zu einer silbernen Kugel. Der Atlantik wurde zu einem blauen Streifen. Ihr Atem kam stoßartig. Ihre Laufschuhe donnerten auf die verwitterten Bretter, trafen kaum auf, bevor sie sich wieder in die Luft erhoben.
    Anne hastete die Stufen zum menschenleeren Strand hinunter, dann entlang des Wassers. Die Meeresluft füllte ihre Lungen. Eine kühle Brise legte sich über ihre Wangen. Ihre Fersen wirbelten Sand auf. Ihre Beine schossen kraftvoll nach vorn, und sie wurde immer schneller, begann zu fliegen. In einem irrwitzigen Tempo, dann noch schneller. Ihr Atem ging leicht, ihr Herz pochte, und ihre Körperfunktionen waren auf Automatik geschaltet. Sie war noch nie zuvor so schnell gerannt, aber die Furcht feuerte sie an.
    Salz brannte ihr in den Augen. Der Wind blies heftiger, schlug gegen ihre Ohren. Ihre Reeboks knirschten über Muschelscherben. Sie geriet auf den härteren Sand direkt am Rand des Wassers und lief in Meeresschaum, der gegen ihre Waden spritzte. Wasser tränkte ihre Socken und Schuhe. Sie sprang über eine zerbrochene Flasche, deren grünes Glas in der Sonne gefährlich zackig glänzte, und rannte weiter, immer den Strand entlang, parallel zum Meer. Sie lief dem Horizont entgegen, flog immer weiter, bis sie entschwand.
    Als Anne die mit Schindeln verkleidete Doppelhaushälfte erreichte, in der sie eine Ferienwohnung gemietet hatte, stand die Sonne hoch am Himmel. Sie lief die ausgetretenen Holzstufen in den ersten Stock hinauf. Mit bebender Brust rannte sie zu der Eingangstür, ihr T-Shirt und die Shorts dermaßen schweißgetränkt, dass sie aussah, als ob sie in ihren Kleidern geschwommen wäre. Ihre Laufschuhe hinterließen verwischte Spuren auf den splitternden Holzdielen. Körniger, nasser Sand klebte an ihren Knöcheln.
    Ihre Hand zitterte, als sie in der Tasche ihrer Shorts nach dem Türschlüssel suchte. Hinter sich hörte sie die unbekümmerten Geräusche von Urlaubern, die in Richtung Strand unterwegs waren. Sie plauderten und lachten und trugen gestreifte Sonnenschirme über ihren Schultern. Ihre Kinder zottelten mit Plastikeimern in den Händen hinterher, und ein kleiner Junge fuhr auf einem Dreirad, an dessen Lenkstange mit Klebeband eine winzige amerikanische Flagge befestigt war. Anne schloss die Tür auf und stürmte hinein. Sie riss sich die Sonnenbrille von den Augen, bevor diese sich an die plötzliche Dunkelheit gewöhnt hatten.
    Die Ferienwohnung bestand aus einem Zimmer, dessen getäfelte Wände verschwenderisch mit Fischernetzen, getrockneten Seesternen und einer roten Plastikkrabbe geschmückt waren. Kindersicherer Stoff bedeckte ein braunes Sofa mit zahlreichen Kissen, flankiert von weißen Korbstühlen und kleinen Beistelltischen mit Glasplatten. Anne ging rasch zum Telefon auf einem der Beistelltische. Sie konnte nicht glauben, dass Willa tot sein sollte. Sie nahm den Hörer und wählte ihre eigene Nummer, dann betete sie, dass jemand ans Telefon ging.
    Anne zählte die Klingeltöne, eins, zwei, drei, vier, dann schaltete sich ihr Anrufbeantworter ein. Sie hängte schnell ein, wollte nichts hören, hatte ein saures Gefühl in der Magengrube. War Willa wirklich tot? Warum sonst ging sie nicht ans Telefon? Wo war sie? Vielleicht war sie ausgegangen. Joggte. Aber aus dem Nichts kamen keine Antworten, und das einzige Geräusch im stillen Zimmer war Annes abgehackter Atem. Sie nahm den Hörer erneut zur Hand und wählte wieder ihre Nummer, nur für den Fall, dass sie sich beim ersten Mal verwählt hatte.
    Bitte, Willa, nimm ab. Doch wieder meldete sich nur der Anrufbeantworter.
    Anne versuchte verzweifelt, ihr Gehirn wieder in Gang zu setzen. Ihre Finger klammerten sich um den Hörer. Was nun? Wer könnte wissen, wo sich Willa befand? Ihre Familie - aber Anne hatte keine Ahnung, wo Willas Angehörige lebten. Sie wusste ja nicht einmal, wo Willa wohnte. Vielleicht war Willa doch

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