Mord mit kleinen Fehlern
dass der Sport-BH ihr die Luftzufuhr abschnitt. Mentale Notiz: Sa tan existiert, und er arbeitet für Champion.
Während Anne darauf wartete, dass sich ihr Atem wieder normalisierte, wischte sie sich hinter der schwarzen
Oakley-Sonnenbrille über die Augen und straffte ihren Pferdeschwanz. Eine großzügige Menge Zinkoxid bedeckte ihre Oberlippe. Andere Jogger liefen mit geschniegelten, übergroßen Triathlon-Uhren und brandneuen Sauconys an ihr vorbei, ihre gepolsterten Tritte donnerten auf den alten, grauen Brettern. Es waren jetzt sehr viel mehr Leute auf der Promenade unterwegs als zu dem Zeitpunkt, an dem Anne losgelaufen war. Das Wochenende des vierten Juli hatte augenscheinlich eingesetzt. Eine Familie fuhr in einer gemieteten Rikscha mit rotweiß gestreifter Markise an ihr vorbei; ein paar männliche Jogger passten sich Annes Tempo an, um sie im Vorüberlaufen in Augenschein zu, nehmen, darum beschloss sie, in ihre kleine Ferienwohnung zurückzukehren und zu arbeiten.
Sie machte sich auf den Rückweg, aber die Brise war zu warm, um sie abzukühlen, also blieb sie an einem Zeitungskiosk an der Ecke stehen, um eine Flasche Wasser und eine Zeitung aus Philadelphia zu kaufen. Sie bezahlte beides mit klammen Geldscheinen, trat vom Kiosk zurück und wollte gerade den weißen Plastikverschluss auf der Evian-Flasche knacken, als sie die Schlagzeile der Zeitung las und erstarrte.
ANWÄLTIN ERMORDE T AUFGEFUNDEN , hieß es da reißerisch, und darunter sah man Annes Abschlussfoto von der juristischen Fakultät. Die billige Druckfarbe ließ ihre Augen in einem zuckersüßen Grün erscheinen, und ihre Haare waren in einem Orangeton, den man sonst nur auf den Schutzwesten von Holzfällern fand. Das Foto war schwarz gerahmt, darunter stand nur Anne Murphy.
Anne lachte nervös. Der Leitartikel beschäftigte sich offenbar mit ihrem Tod, aber sie war nicht tot. Müde, ja, und dehydriert. Aber nicht tot. Es handelte sich offensichtlich um ein Missverständnis, ein gewaltiges Missverständnis. Sie schlug die Zeitung auf, und eine Windböe, die stechend nach Krebsen und Dieselbenzin roch, fuhr zwischen die Seiten und blähte sie wie Segel auf. Anne besiegte das widerspenstige Papier und las die beiden obersten Absätze:
Anne Murphy, 28, die als Anwältin die Internet-Firma Chipster.com vertrat, wurde gestern Abend ermordet in ihrem Haus aufgefunden. Die Polizei erklärte, dass sie durch mehrere Gewehrschüsse aus nächster Nähe zu Tode kam. Ein Nachbar, der Schüsse gehört hatte, rief die Beamten zu Murphys Haus in der Waltin Street 2257. Es gab kein Anzeichen eines Einbruchs, und die Polizei hat derzeit noch keine Verdächtigen.
Anne nahm ihre Sonnenbrille ab und las die Absätze noch einmal. Ihr Humor versagte. Sie musste unter Halluzinationen leiden. Das ergab einfach keinen Sinn. Vielleicht handelte es sich um eine falsche Adresse? Sie las erneut. Waltin Street 2257. Das war ihr Haus, aber sie war nicht tot. Sie war ja nicht einmal dort gewesen.
O mein Gott. Plötzlich schnürte sich ihr der Hals zu. Mit entsetzlicher Unmittelbarkeit wurde ihr bewusst, was geschehen sein musste. Die Polizei hatte Willas Leiche gefunden.
Konnte das wahr sein? Konnte das wirklich wahr sein.War Willa tot? Annes Herzschlag setzte kurz aus. Ihre Augen wurden plötzlich feucht, die umtriebige Promenade verschwand. Mit zitternder Hand setzte sie die Brille auf.
Da s wa r Kevin , flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, eine Stimme, die sie endgültig vertrieben zu haben glaubte. Du weißt , das s Kevi n da s geta n hat.
Anne kämpfte gegen die Stimme und deren Schlussfolgerung an, aber es gelang ihr nicht. Willa tot? Nein! Anne musste alles erfahren, alle Details. Sie las den Artikel erneut, aber es war nur ein Abriss ihrer Karriere, mit einem Gruppenbild sämtlicher weiblicher Anwälte der ROSATO- Kanzlei, das mit Die Kanzlei mit dem weiblichen Touch untertitelt war. Weitere Einzelheiten über den Mord enthielt der Artikel nicht.
Anne konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Sie vermochte kaum, die Panik in Schach zu halten, es war, als ob man mit einer Hand eine Meereswelle aufhalten wollte. Was war geschehen? Durfte das wirklich wahr sein? Sie zwinkerte die Tränen aus den Augen und ging den Rest der Zeitung durch, aber sie fand nur Nichtssagendes über die Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag, rot, weiß und blau unterlegte Tabellen über die Parade und das Feuerwerk im Art Museum. Ein
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