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Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Scott
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er nach links auf eine Querstraße. Sie rannte ihm nach, zuversichtlich, dass er sie nicht entdecken konnte, da er ja um die Ecke gebogen war. Sie rempelte nur einen einzigen Mann an und entschuldigte sich über ihre Schulter hinweg, während sie weiter auf die Ecke zurannte. Dann blieb sie stehen. Keine Spur von Kevin.
    Anne schaute verzweifelt die Straße entlang. Eine junge Frau kam auf sie zu, einen Häuserblock entfernt. Sie musste gesehen haben, wie Kevin auf diese Straße bog. Anne rückte ihre Sonnenbrille zurecht und eilte auf die Frau zu.
    »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie, »ich suche meinen Freund. Er ist groß und blond, und er trägt seine Haare total kurz, fast wie rasiert. Haben Sie ihn gesehen? Mir war, als wäre er um diese Ecke gebogen.«
        »Trug er ein weißes T-Shirt?«
    »Ja!« Anne konnte ihr Glück kaum glauben, denn die Frau wies auf das obere Ende der Straße. Der nächste Häuserblock bestand aus einer einzigen fensterlosen Ladenfront, und das Geschäft schien zu brummen. Zahlreiche Leute strömten hinein, und rote, weiße und blaue Luftballons waren an dem Ladenschild befestigt.
    »Da drin?«
    »Ja. Ich glaube, er ist da hineingegangen.«
    »Danke!«, sagte Anne. Sie hätte die Frau beinahe umarmt, aber dann fiel ihr wieder ein, dass sie Uncle Sam war. Fremde Frauen zu umarmen stellte somit ein Bundesvergehen dar. Sie hielt die Luft an und marschierte direkt auf den Laden zu.

10

    FRANKIE & JOHNNY stand auf dem Schild vor der Ladenfront, in peppig-schwarzen Lettern. Die Fenster waren mit Sperrholzbrettern zugenagelt, die man schwarz bemalt hatte, und die große Eingangstür, ebenfalls schwarz, wirkte nichts sagend. Anne wurde langsamer. Ein Mann, der das Ende einer Gruppe bildete, lächelte ihr zu, als sie direkt hinter ihm den Laden betrat.
    Tanzmusik plärrte aus dem pechschwarzen Innern, und der Geruch nach Schweiß und Zigarettenrauch attackierte Annes Nase. Sie erkannte den Song sofort. Die Weather Girls sangen »It's Raining Men«. Als sich Annes Augen an die Dunkelheit angepasst hatten, sah sie, wo sie sich befand. Der Laden war rammelvoll mit Körpern, die sich zum selben Rhythmus bewegten, und alle Körper waren männlich. Brustfrei oder im hautengen Top, sämtlich tätowiert, aber alles Männer, nur ein oder zwei Frauen. Anne drehte sich um und sah durch die Dunkelheit auf die Leute neben der Tür. Auch hier nur Männer. Unsicher verharrte sie an Ort und Stelle. Sie war in einer Schwulenbar, zum ersten Mal in ihrem Leben. Mentale Notiz: Neues kann zu Anfang beunruhigend sein - und bleibt es dann auch.
    Sie schaltete die Fremdheit aus und versuchte, Kevin in der Menge ausfindig zu machen. Wo war er? Rothaarige, Stoppelhaarige, Braunhaarige, Kahlköpfige und Schüttere; in der Dunkelheit konnte sie seinen blonden Kopf nicht erkennen. Die einzige Beleuchtung stammte von den roten, weißen und blauen Scheinwerfern, die im Rhythmus der
    Bumm-bumm- Musik über die Tanzenden schwenkten. Jedermann bewegte sich, tanzte, tauschte Plätze. Es war fast unmöglich, auch nur einem auf der Spur zu bleiben, und Anne konnte in der Dunkelheit und dem Rauch so gut wie nichts erkennen. Ganz zu schweigen von ihrer Sonnenbrille. Hielt Kevin sich wirklich in einer Schwulenbar auf? Er war nicht schwul, nicht dass sie wüsste. Er war auf sie fixiert.
    Verwirrt blieb Anne stehen. Die Bar hatte von draußen wie ein kleiner Laden gewirkt, aber innen schien sie um einiges größer. Die Decke war sechs Meter hoch, und es gab einen Balkon, auf dem Männer wie auf einer Bühne tanzten. Eine lang gezogene Martinibar verlief auf der rechten Seite des Raumes, und vor einem immens großen Spiegel hinter der Bar flackerte ein riesiges Martiniglas in leuchtend roter Neonfarbe. Anne suchte Kevin im Spiegel, aber der spiegelte nur ein anonymes, schwitzendes Gedränge aus Männern wider.
    Hatte sie nicht einen Türsteher gesehen? Alle hier sahen wie Türsteher aus. Anne sah durch den Zigarrettenrauch über die Männer hinweg, die in die Bar strömten. Hinter ihnen entdeckte sie einen muskelbepackten Mann in einem hautengen, weißen Top, auf dem das Logo der Bar prangte. Sie zwängte sich zu ihm durch, atmete dabei den Geruchscocktail aus Schokomartini und Paco Rabanne ein. »Entschuldigung«, brüllte sie dem Türsteher zu, um trotz der Musik gehört zu werden, »haben Sie einen großen, blonden Weißen gesehen, der vor einer Minute hier hereingekommen ist? Seine Haar sind kurz, und er ist muskulös. Er

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