Mord mit kleinen Fehlern
ihrer Haare und Kleider war schwer zu erkennen, aber die Gesichtszüge der Männer waren deutlich sichtbar, wenn auch grobkörnig. »Haben Sie auch eine Bandaufnahme?«
»Die sehen Sie gerade. Sie sagen, der Kerl soll vor fünf bis zehn Minuten gekommen sein?« Der Geschäftsführer drückte auf den Rückspulknopf, und die Männer auf dem Bildschirm flogen aus der Tür hinaus. Die Zeitangabe in der oberen rechten Ecke lief rückwärts. »Und los geht's.«
Anne sah nervös zu, wie das Band anhielt und wieder anlief. Die Tür öffnete und schloss sich, und Scharen von Männern zogen lautlos herein, offensichtlich lachend und redend, in großen und kleinen Gruppen. »Er trug ein weißes T-Shirt.«
»Schätzchen, das tut die Hälfte aller Männer hier. Schauen Sie zu, und sagen Sie mir, ob Sie ihn sehen. «
Anne biss sich auf die Lippen, als eine Gruppe von Männern in T-Shirts und Tops hereintänzelte. Plötzlich stürmten vier auf einmal gleichzeitig herein, und ein fünfter Mann, der sich ein wenig bedeckt hielt, hatte Haare, die auf dem grobkörnigen Videoband wie ein weißer Fleck aussahen. Anne spürte, wie sich ihr Herz verkrampfte. Es war Kevin! »Da! Das ist er!«
»Augenblick mal.« Der Geschäftsführer drückte auf die Pausetaste, und das Bild fror ein. »Welcher ist es? «
Mein Gott . E r is t hier . Anne wies mit dem Finger auf ihn. Das grobkörnige Gesicht auf dem Bildschirm gehörte eindeutig Kevin. Eine Minute lang war Anne unfähig, etwas zu sagen, während der Geschäftsführer das Band noch einmal in Zeitlupe abspielte und es anhielt, als Kevin am besten zu sehen war. »Ist er das? In dem Joe-Camel-T-Shirt?«
»Ja!« Anne starrte auf den Bildschirm. Sie hatte es noch nicht bemerkt, weil sie Kevins Brust bislang nicht gesehen hatte, aber auf dem T-Shirt prankte ein kleiner Cartoon von Joe Camel über der Brusttasche. »Das ist er!«
»Vermutlich macht er die Runde auf der Suche nach einem Ort, an dem er sich verstecken kann. Der Teufel soll mich holen, wenn ich es zulasse, dass er einen von meinen Gästen verletzt.« Damit griff er nach seinem Walkie-Talkie und zog es aus der Gürteltasche. Er drückte den Sprechknopf und gab eine perfekte Beschreibung von Kevin in dem Joe-Camel-T-Shirt ab. »Hört ihr mich? Mike? Julio? Barry? Gebt Bescheid, sobald ihr ihn habt. Gut. Over.«
»Schnappen wir ihn uns.« Anne war bereits auf dem Weg zur Tür, aber der Geschäftsführer runzelte die Stirn.
»Nein, wir bleiben hier. Meine Wachen werden ihn sich vornehmen. «
»Ich habe da draußen keine Wachleute gesehen.«
»Sie sind da, und sie wissen, was sie tun. Für Situationen wie diese sind sie geschult.«
»Ja, klar sind sie das, was soll ich mich da einmischen? Ich bleibe einfach hier und warte.« Al s ob . Anne hielt ihren Zylinder fest, öffnete die Tür und stürmte hinaus.
»Warten Sie! Was machen Sie denn da?«, rief der Geschäftsführer ihr hinterher. »Ich kann nicht zulassen, dass Sie in meiner Bar herumlaufen und meinen Tanztee vermasseln! «
Anne tauchte wieder in die Dunkelheit ein, aber plötzlich war er an ihrer Seite und packte sie an der Hand, weniger freundlich als zuvor. Die beiden Uncle Sams zerrten aneinander, bis der Geschäftsführer klein beigab, weil er wohl keine Szene machen wollte. Stattdessen begab er sich mit Anne auf die Suche, lenkte sie beide schnell und geübt durch die Menge, inspizierte jeden und sprach in sein Madonna- Headset, das jetzt über der Krempe seines Zylinders hing.
Die Szene in der Bar hatte sich verändert. Jede Menge Männer verstopften die Tanzfläche, aber sie tanzten nicht, sondern beklatschten die Show auf der Bühne. Anne sah nach oben. BESTER-HINTERN-WETTBEWERB stand auf einem Plakat auf einer Staffelei, und eine Reihe halb bekleideter Männer hatte auf der Bühne dem Publikum den Rücken zugekehrt. Sie trugen nur Unterwäsche, eine verrückte Ansammlung von Tigerstreifen, Star s an d Stripe s und Zebrastreifen. Eine Drag Queen im roten Paillettenfummel agierte als Zeremonienmeister. »Wer ist für die Bäckchen von Nummer 1?«, brüllte sie, und die Menge tobte.
Die beiden Uncle Sams suchten nach Kevin, prüften jedes Gesicht, die meisten davon der Bühne zugewandt. Wachleute in schwarzen T-Shirts mit der weißen Aufschrift Per sonal auf der Brust patrouillierten durch die Menge. Immer wieder sprach der Geschäftsführer in sein Headset.
»Und jetzt wollen wir mal hören, wer für die Bäckchen von Nummer 2 ist! «, rief die Drag Queen,
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