Mord mit kleinen Fehlern
so gut, dass sie beschloss, ihn ins Vertrauen zu ziehen. Weitgehend. »Er ist gefährlich. Ein Mörder. Sein Name ist Kevin Satorno, und er ist aus einem kalifornischen Gefängnis entflohen. Ich weiß es klingt verrückt.«
»Leider überhaupt nicht.« Der Geschäftsführer nahm es gelassen auf. »Wir haben hier einige Leute aus dem Gefängnis. Ein paar sind auf Bewährung draußen. Andere sind Ex-Sträflinge. Schwulenbars sind ein Magnet für alle möglichen Durchgangsreisenden. Das ist ein Problem für uns und die Stadt.«.
»Auch wenn ein Mann gar nicht schwul ist? Ich will damit sagen, ich halte diesen bestimmten Mann nicht für schwul. «
»Das gefällt mir. Niemand will schwul sein, aber unser Geschäft brummt.« Der Geschäftsführer kicherte. »Nicht alle Ganoven, die hier auftauchen, sind schwul - und das müssen sie auch gar nicht sein. Sie kommen als Strichjungen her, nicht aus Vergnügen am Sex. Wenn sie gerade aus dem Knast kommen, haben sie kein Geld. Manche bieten sich für Drinks, Zigaretten oder ein warmes Bett. an. Manchmal begleiten sie unsere Gäste auch nach Hause und sind ihnen gefällig.«
»Echt? «, fragte Anne wie ein gebürtiger Philadelphier.
»Klar. Hier drinnen ist es dunkel, und es kommt auch kein Cop auf einen Doughnut vorbei: Und mein Personal ist nicht neugierig. Keiner von uns. Viele Leute wollen sich nicht outen. Jeder, wie er mag, solange er nur sein Geld hierlässt.« Das Handy des Geschäftsführers klingelte in seiner Gürteltasche, aber er ignorierte es. In zwei weiteren Gürteltaschen hingen ein Pieper und ein Walkie-Talkie. »Sind Sie sicher, dass er hier ist? Beim Tanztee?«
Tanztee ? Anne hatte auf diesem Tanztee keinen Tee gesehen, außer man zählte Stoli-Wodka dazu. »Ja, ich bin mir ziemlich sicher. Eine Frau auf der Straße sah ihn hineingehen.«
»Wie sieht er aus, der Mann, nach dem Sie suchen?« Anne wünschte, sie hätte nicht alle roten Flugblätter aus der Hand gegeben, aber wie konnte sie ahnen, dass sie auf Kevin stoßen würde. Sie ratterte ihre Beschreibung herunter, und die Augen des Geschäftsführers wurden groß.
»Moment mal«, sagte er. »Hellblonde Haare, fast platinblond? Kurz geschnitten, fast kahl?«
»Ja«, erwiderte Anne erregt. »Haben Sie ihn gesehen?«
»Nein, aber ich habe von ihm gehört. Ein Freund von mir leitet das Eagle, und er hat mir erzählt, dass irgendein Arschloch gestern Nacht einen seiner Gäste verprügelt hat. Hat ihm die Nase gebrochen.«
Annes Herzschlag setzte aus. Gestern Nacht. Die Nacht, in der Willa ermordet worden war. »Um wie viel Uhr? Was ist geschehen?«
»Es war nach Mitternacht. Ein gut aussehender, blonder Kerl kam in die Bar. Er fiel allen auf, weil er neu war. Eine Drag Queen spendierte ihm einen Drink, weil sie auf Blonde steht, aber als sie rüberging, um ihn aufzulesen, flippte der Blonde aus. Nannte sie eine Tunte und schlug ihr mitten ins Gesicht.«
»Mein Gott.« Anne spürte, wie sich ihr die Brust zusammenzog. War das Kevin gewesen? Nur eine Stunde nach dem Mord. Vielleicht war er noch aufgewühlt gewesen. Gewalttätig. »Hat man die Polizei gerufen? Gab es eine Anzeige? «
»Nein. Sie haben den Kerl rausgeworfen, sich um die Drag Queen gekümmert, und das war's dann.«
»Nein! Warum haben sie nicht die Polizei verständigt? Ein Gast wurde angegriffen. «
»Ich wüsste nicht, welche Bar das tun würde. Wir jedenfalls nicht. Wir halten die Cops draußen, sind unsere eigene Polizei. Besonders dieses Wochenende. Feiertage sind in unserem Geschäft pures Gold. Nachmittags haben wir diesen Tanztee, dann schließen wir, machen sauber und öffnen in der Nacht wieder. Einen Moment.« Der Geschäftsführer ging zu einem Regal, auf dem elektronische Geräte standen, die Anne zuvor nicht aufgefallen waren: ein Videorecorder, ein weiterer schwarzer Kasten und ein kleiner Schwarz- Weiß-Bildschirm. Es war ein Sicherheitssystem!
Hoffnung keimte in ihr auf. »Sie haben hier eine Videoüberwachung?«
»Natürlich, gerade für Angelegenheiten wie diese. Es ist eine Multiplexanlage. Wir haben drei Kameras in der Bar und eine an der Tür.«
»Ich glaube es nicht!« Anne trat vor den Bildschirm, der in vier kleinere Fenster aufgeteilt war. In der oberen rechten Ecke liefen Zeit und Datum. Das Bilderquartett war grau und schattenhaft, aber sie sah jetzt, dass das untere rechte Viereck auf den Eingang gerichtet war. Die Tür öffnete und schloss sich, und Männer strömten in die Bar. Die Farbe
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