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Mord mit kleinen Fehlern

Titel: Mord mit kleinen Fehlern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Scott
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Autorität vermitteln wollen.«
    »Das weiß ich.« Judy hob die Stimme. »Die Frage ist, fühlst du dich dadurch nicht beleidigt? Ich bin beleidigt, auch wenn ich weiß, dass so etwas vorkommt.«
    Jetz t ode r nie . Anne wappnete sich. »Im Grunde stört dich doch etwas anderes, nicht wahr? Denn Gil hat sich ein klein wenig anders ausgedrückt. Er sagte, er habe mich engagiert, weil ich eine schöne Frau bin. Unter uns, er hätte mich doch nie engagiert, wenn ich eine hässliche Frau wäre, richtig?«
    »Richtig.« Judy wurde rot.
    »Und das wissen wir beide, du und ich.« Anne beugte sich vor, war mit Judy jetzt auf Augenhöhe. »Aber weißt du was? Das beleidigt mich nicht, weil ich die Ironie darin sehe. Denn ich weiß, wie falsch meine Schönheit - meine angebliche Schönheit - ist.«
    »Falsch? Wovon sprichst du? Du bist vollkommen! Dein Gesicht, dein Körper, selbst mit deinem neuen Haarschnitt. Die Männer liegen dir zu Füßen. Du siehst wie ein Supermodel aus.«
    »Ich wurde mit einer Hasenscharte geboren.«
    Judy sah aus, als wüsste sie nicht genau, was das bedeutete, und Anne spürte, es würde ihr gut tun, wenn sie es erklärte, es laut aussprach. Sie hatte das noch nie zuvor getan, außerhalb einer Arztpraxis. Es war ihr schmutziges, kleines Geheimnis. Das und die Tatsache, dass American Express zweimal ihren Kreditkartenantrag abgelehnt hatte.
    »Meine Lippe, genau da ...«, Anne zeigte auf eine Stelle etwas links von der Mitte, »war bei meiner Geburt bis zur Nase offen. Das ist die häufigste Geburtsstörung, und mein Fall war relativ harmlos, weil es keine Gaumenspalte war, nur ein Spalt in der Lippe. Im Lippengewebe, um genau zu sein.«
    »Meine Güte.«
    »Genau. Meine Mutter ... tja, sagen wir einfach, sie hat nicht besonders gut darauf reagiert. Sie war eine schöne Frau, und sie wollte ein schönes Baby. Eines, das sie zu einem Filmstar machen konnte.« Anne weigerte sich, wie ein Opfer zu klingen, darum machte sie ihre Geschichte kurz.  »Ich bekam die notwendigen Operationen - an Lippe, Gaumen, Zahnfleisch - erst im Alter von zehn Jahren. Es erforderte sieben Operationen, bis ich so aussah wie heute, und am Ende fühlte ich mich wie ein Forschungsobjekt im Wissenschaftsunterricht. Wenn ich also heute etwas nur aufgrund meines Aussehens bekomme, dann muss ich innerlich lachen.«
    »Das muss furchtbar gewesen sein.« Judy musste schlucken, und Anne zuckte mit den Schultern.
    »So ist das also mit meiner Schönheit. Ich weiß nur, dass sich die Welt veränderte, als ich mit einem Mal schön war, und du hast Recht, ich hatte jede Menge unfairer Vorteile dadurch. Männer, Mandanten. Der Manager bei Hertz hält regelmäßig einen Mustang für mich bereit. Der Junge in der Videothek legt die Neuerscheinungen für mich zur Seite. Ich weiß sehr wohl, wie gut man mich behandelt, weil ich die Unterschiede miterlebt habe. Ich bin ein ''vorher/nachher'' Bild auf zwei Beinen. Und ich habe früher die Ungerechtigkeit, den Groll und die Eifersucht gespürt, ebenso wie du.«
    Judys Augenbrauen zogen sich gequält nach oben.
    »Darum nehme ich dir deine Gefühle nicht übel, und du  musst sie vor mir auch nicht verbergen. Ich kann deine Gefühle durchaus nachempfinden.« In dem Besprechungsraum wurde es still. Anne hatte noch nie zuvor so intim mit jemandem geredet, aber sie hatte die Atmosphäre einfach bereinigen müssen. »Und ich muss dir noch etwas beichten. Ich habe euch heute Morgen in meinem Haus belauscht, aber es hat mich nicht überrascht. Ich weiß, dass ihr mich nicht mögt. Keine Frau mag mich. Ich könnte mit einer Frau nicht mal hinter vorgehaltener Waffe Freundschaft schließen.«
    Judy lachte trocken.
    »Ich hoffe nur, du gibst mir eine Chance, jetzt, da du mich besser kennst. Wenn du an die Mandanten, die Männer, die neuen DVDs und die Vorteile denkst, die mein Aussehen mir einbringt, dann denke auch an die andere Seite der Medaille. Denke an Kevin Satorno, der versucht, mich umzubringen. Schönheit ist kein Segen, Judy, glaube mir. Sie ist ein Fluch.«
    In diesem Moment wurde die Tür zum Besprechungsraum aufgerissen. Es war Bennie, die vor Aufregung überschäumte. »Meine Damen, wir müssen los. Ich habe gerade einen Anruf von Mary erhalten.«
    »Um was geht's?«, fragte Anne.
    »Um den Mord an dir. Los, kommt schon.«

13

    Anne, mit weißer Baseballmütze und dunkler  Oakley-Sonnenbrille, stand neben Bennie und Mary in der hellen winzigen Küche im zweiten Stock. Sie war

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