Mord mit kleinen Fehlern
sie tauschten noch keine Rezepte aus, aber zumindest kämpften sie nicht mehr wie Schlammcatcherinnen gegeneinander an.
Gil trank durstig, während Anne fortfuhr. »Bitte denke keine Sekunde lang, dass wir uns nicht voll auf diesen Fall konzentrieren, denn das tun wir. Mary DiNunzio, die du ja kennst, hat die heutige Zeugenaussage hervorragend durchgeführt, und Judy hier hat mir sehr geholfen. Bennie weiß mehr über Straffälle, all e Straffälle, als ich je wissen werde. Du und Chipster seid bereits in hervorragenden Händen. Es gibt keinen Grund, dich woanders umzuschauen. Also sage BALLAR D und CRAWFOR D ab. Sag ihnen, sie sollen sich zurücklehnen und zuschauen, wie man so was macht.« Anne lächelte, was ein echtes Grinsen bei Gil auszulösen schien.
»Ich wollte deine Kanzlei eigentlich gar nicht feuern. Das weißt du doch.« Er stellte sein Glas ab. »Ich meine, ich bin ja aus gutem Grund zu dir gekommen. Wir beide kennen uns schon lange, und du warst immer so« - er schien nach dem richtigen Wort zu suchen - »clever. Wirklich clever.«
»Danke.«
»Ich wusste, du würdest dir für mich den Hintern platt arbeiten, und offen gesagt wollte ich, dass mich eine Frau vertritt. Ich dachte, das würde mir bei den Geschworenen Pluspunkte einbringen - in einem Fall von sexueller Belästigung.« Gil schien laut zu denken, versuchte wohl, seine Orientierung wiederzufinden. »Außerdem bist du attraktiv. Ich wusste, die Aufmerksamkeit der Geschworenen wäre dir sicher. Und die der Medien.«
»All diese Gründe treffen immer noch zu.« Anne nickte und war sich vage bewusst, wie Judy neben ihr allmählich böse wurde. Gil Martin hätte Anne niemals beauftragt, wenn sie nicht so ausgesehen hätte, wie sie aussah. Tja, jetzt hatte sie die Bestätigung. Hoffentlich machte es Judy wenigstens glücklich.
»Also, ich versuchte, zum Wohl der Firma mit der nötigen Power anzutreten. Wenn man schon eine Frau anheuern will, kann man auch gleich eine rein weibliche Kanzlei anheuern, stimmt's?« Gil breitete die Hände aus. »Wenn schon, dann richtig.«
»Natürlich. Und diesem Prinzip bist du ja auch gefolgt.« Obwohl Gil seine Beweggründe nie artikuliert hatte, waren sie Anne nicht entgangen. Er hatte die Publicity zu seinem Vorteil genutzt; obwohl er der sexuellen Belästigung bezichtigt wurde, hatte er es fertig gebracht, wie ein Vorkämpfer des Feminismus zu wirken. Aber all das würde nicht funktionieren, wenn Anne keinen Geschworenenspruch zu ihren Gunsten gewinnen konnte. »Lass uns kurz über den Fall reden. Beantworte meine Frage: Wie würdest du Bennies Beziehung zu mir beschreiben?«
Neben ihr schaute Judy verdutzt aus der Wäsche, und Gil zuckte mit den Schultern. »Bennie Rosato? Ihr gehört die Kanzlei, nicht wahr?«
»Ja, aber wie nennst du die Person, der ein Unternehmen gehört?«
»Jemand wie mich? Vermutlich ''Besitzer''.«
»Nicht ''Brötchengeber''?«
»Das sage ich nie. Das klingt albern. Warum?«
Natürlich. »War nur eine Frage. Jetzt, da du den Schock darüber, dass ich noch atme, überwunden hast, wie kann ich dir da helfen? Möchtest du über irgendetwas reden? Haben dich die Medien in den Wahnsinn getrieben?«
»Das ist irgendwie merkwürdig, findest du nicht?« Gil blickte mit neuen Zweifeln von Anne zu Judy und wieder zurück. »Du willst einfach so tun, als ob nichts geschehen wäre? Als wäre keine Frau ermordet worden? Als laufe dieser Mörder, wer immer es auch sein mag, nicht da draußen herum?«
Anne fühlte sich getroffen. »Gil, ich tue nicht so, als ob. Ich kümmere mich nur gerade um zwei Dinge gleichzeitig. Das nennt man Multi-Tasking.«
»Es geht um meine Firma, Anne. Um meinen Ruf.« Gils Gesichtsausdruck wurde düster. »Die Investoren beobachten mich, die Börsenaufsicht auch. Es geht um Kopf und Kragen. Ich muss den Prozess gewinnen, das habe ich meinem Vorstand versprochen. Ich kann nur weitermachen, wenn ich einhundert Prozent von dir bekomme.«
»Das ist mir klar, und die bekommst du auch.«
»Du willst mit diesem Fall vor Gericht gehen, obwohl diese Mordermittlung noch über deinem Kopf schwebt? Das ist doch wohl eine gewaltige Ablenkung. Und jetzt erzählst du mir auch noch, dass du dich vor der Polizei versteckst ...«
»Bis zur Verhandlung ist alles aufgeklärt, Gil.«
»Und wenn nicht?«
»Das ist unmöglich.« Anne wusste, dass sie dabei war, ihn zu verlieren. Sie sah, wie er auf seinem Stuhl zurückrutschte.
»Ich weiß nicht recht«, sagte er nach
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