Mord mit kleinen Fehlern
aus einer Ecke des Schlafzimmers entstanden, indem man einen riesigen Kenmore-Kühlschrank, einen Elektroherd mit zwei Heizplatten und eine Edelstahlspüle im Babyformat installiert hatte. Es roch angenehm nach Lyso l und frittierten Pommes, und es war unerträglich heiß, obwohl der Tag schon recht weit fortgeschritten war. Ein billiger Ventilator aus Plastik drehte sich auf der Küchentheke, ohne irgendwelche Wirkung zu zeigen.
Mary DiNunzio saß gegenüber von Mrs. Letitia Brown an deren Küchentisch und hielt ihre Hand. »Mrs. Brown, das sind meine Partnerinnen, und sie würden gern dasselbe hören, was Sie mir schon erzählt haben. Über das, was Sie gestern Nacht gesehen haben. Würde es Ihnen etwas ausmachen, es noch einmal zu wiederholen?«
»Überhaupt kein Problem nich. Ich hab gern Damenbesuch.« Mrs. Brown war 77 Jahre alt. Ihre schwarze Haut war seltsam grau, und ihre Augen hinter der Trifokalbrille wirkten milchig. Die Brillengläser drückten sich in ihre Wangen, die mit den Jahren schlaff geworden waren und wie samtige Bühnenvorhänge um ein ruhiges Lächeln hingen. Graue Haare sprossen in ausgedünnten Spiralen von ihrer Kopfhaut, und sie trug ein geblümtes Hauskleid und schwarze Plastiksandalen. Anne wusste, sie würde auch eines Tages in solchen. Schuhen enden, und sie freute sich schon darauf. Mentale Notiz: Im Laufe der Zeit findet sich jeder mit der Realität ab.
«Erzählen Sie noch einmal, was haben Sie gestern Nacht auf der Straße gesehen? «, bat Mary.
»Viele Leute, und alle spielten und waren fröhlich. Ich hab Leute gesehen, die zum Parkway gingen, zum Feuerwerk. Den ganzen Tag schon kommen und gehen die Leute. Viel zu sehen, ja. « Mrs. Brown winkte mit einer zittrigen Hand zum Fenster über dem Küchentisch, der aus wackeligem Press-Span bestand. Dünne Servietten wurden von Salz- und Pfefferstreuern aus schwerem Billigglas niedergedrückt, damit sie nicht in der Brise durch das Fliegenglitter weggeweht würden, sicher ein Übermaß an Vorsicht. »Man sieht jede Menge aus diesem Fenster, is besser als fernsehen. Tagsüber schaue ich mir meine Fernsehgeschichten an, und dann komme ich her und schaue aus dem Fenster.«
»Was ist mit dem Haus, nach dem ich Sie gefragt habe? Hausnummer 2257.«
Mrs. Brown befeuchtete die Lippen. Schmale Falten führten zu einem kleinen, ausgedörrten Mund. »Hab gestern Nacht alles gesehen, in dem Haus, was Sie meinen.«
»Welches Haus? Zeigen Sie es uns.«
»Na, das da, die 2257. Meine Augen sind gar nich so schlecht, ich kann die Hausnummer lesen.« Mrs. Brown hob einen Arm und zeigte auf das Fenster. Anne folgte ihrem gekrümmten Finger, nur um sicher zu gehen. Es war Annes eigene Haustür, nur zwei Häuser weiter, auf derselben Seite der Straße. Mrs. Browns Adlerhorst im zweiten Stock ermöglichte ihr einen guten, wenn auch parallelen Blick auf jeden, der vor Annes Tür stand. Obwohl Anne Mrs. Brown nie gesehen hatte, hatte Mrs. Brown Anne zweifelsohne schon oft gesehen.
»Und was haben Sie gestern Nacht gemacht?« Marys Stimme klang weich und gleichmäßig, imitierte unterschwellig den Tonfall und den Sprechrhythmus von Mrs. Brown.
»Was ich immer tue. Bin hier gesessen. Bin hier gesessen und hab meine Bilder angesehen und meine Tassen und meine Bücher.« Mrs. Brown wies zufrieden auf eine Aufreihung von Schulfotos, die lauter Mädchen mit sauber geflochtenen Zöpfen zeigten sowie einen älteren Jungen mit Cornrow-Frisur und einem Allen-Iverson-Pullover. »Alles meine Enkelkinder.«
»Wie niedlich.«
»Und das hier sind meine Bücher.« Mrs. Brown griff nach einem Stapel Kreuzworträtselhefte und schlug eines mit Mühe auf. Auf dem weichen Papier war ein großformatiges Kreuzworträtsel gedruckt, das in zittriger Handschrift mit Kugelschreiber vollständig ausgefüllt worden war. Anne las »zehn senkrecht, Schlafstätte, vier Buchstaben«. Die Kästchen waren nicht mit BETT, sondern mit QOPT ausgefüllt. Anne inspizierte das Rätsel. Jedes Kästchen war sauber mit einem Buchstaben ausgefüllt, geschrieben in krakeliger Handschrift, aber nirgends war ein richtiges Wort zu erkennen.
Mary warf Anne einen Blick zu. »Ihre Tochter und ihr Schwiegersohn wohnen mit den beiden Kindern einen Stock tiefer. Sie waren gestern Abend aus und daher nicht hier, als die Cops vorbeikamen. Mrs. Brown ist zu Hause geblieben. Sie war die ganze Zeit hier oben, was die Cops aber nicht wussten. «
Anne nickte. Sie hatte den Schwiegersohn
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