Mord nach Drehbuch
passiert, was die Dreharbeiten stoppt, weißt du. Zum Beispiel wenn sich der Star verletzt oder dagegen klagt, dass er entlassen wurde. Aber es geht dabei nicht immer um eine echte Verletzung oder gar einen Todesfall. Manchmal ist der Produktionsgesellschaft schon während des Drehs klar, dass der Film ein Flop wird, und sie versucht, irgendwie von der Versicherung eine fette Summe zu ergaunern.«
»Sind die denn gegen alle möglichen Sachen versichert?«
»Klar doch.«
»Zum Beispiel dagegen, dass ein Superstar abgemurkst wird?«
»Auch dagegen waren sie sicher für eine sehr vernünftige Prämie versichert. Ich meine, es ist ja ziemlich unwahrscheinlich, dass ein Star während des Drehs stirbt, es sei denn, er ist schrecklich alt.«
»Also mussten sie nur wenig bezahlen, bekommen aber jetzt eine große Versicherungssumme ausgezahlt?«
»Darauf kannst du wetten!«
Obwohl Bernard nicht gerade der aufregendste Gesellschafter war, hatte er ihr doch ein paar sehr interessante Dinge mitgeteilt. In Honey stiegen ein paar Gedanken auf, die sie sehr verstörten. Überall lauerte die Möglichkeit für schreckliche Unfälle. Und für Mord, wenn auch vielleicht nicht ganz so häufig.
Sie schaute auf ihre jämmerliche Gabel mit Risotto und fragte sich, wie gefährlich die wohl war. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihr im Hals steckenblieb und sie daran erstickte? Wie hoch das Risiko, dass sie die Treppe herunterfallen würde, wenn sie sich aufmachte, um den Pappteller und die Plastikgabel in die Mülltonne zu werfen?
Draußen brüllte jemand Anweisungen, und sie schaute wieder zu dem Manöver vor dem Bus.
Gerade wurde Martynas Wohnwagen hochgezogen. Bisjetzt schwebte er nur ein paar Meter über dem Boden. »Was ist, wenn ein Wohnwagen, der an einem Kranhaken hängt, plötzlich auf einen Bus voller Statisten heruntersaust, die gerade ihr Essen mampfen? Würde die Versicherung auch dafür zahlen?«
»Das ist ein klarer Fall von Haftung gegenüber der Öffentlichkeit. Im Todesfalle würde deine Familie ausgezahlt werden.«
»Das ist ja mal ein Trost. Meine Tochter würde sich wahrscheinlich ein Museum kaufen. Und meine Mutter würde wahrscheinlich in eines einziehen.«
Ganz gleich, wie sehr sie sich darauf konzentrierte, was Bernard ihr erklärte – und es war ja alles sehr vernünftig –, die Szene vor dem Fenster begann langsam richtig gefährlich auszusehen. Der Kran hatte den Wohnwagen auf Dachhöhe hochgezogen. Der schwankte und trudelte am Ende des Stahlseils.
Bernard merkte, dass sie ihre Aufmerksamkeit nicht mehr auf ihn konzentrierte. »Du fragst dich wahrscheinlich, ob er fallen wird. Im Lichte dessen, was ich dir gesagt habe, erwägst du alle Möglichkeiten.« Er kaute und schmatzte lautstark weiter, während er sprach.
Honey hielt ihr Augenmerk auf den Wohnwagen gerichtet.
»Ich hatte darüber nachgedacht.«
Bernard legte eine kleine Pause ein, nachdem er den letzten Bissen seiner Pastete verputzt hatte, und widmete sich dann mit Begeisterung der übervollen Schüssel mit Trifle 1 , die er sich geholt hatte.
»Sieht nach einer recht prekären Operation aus. Eigentlich sogar ziemlich furchteinflößend.«
»Wirklich?« Das hatte sie nicht hören wollen. Dieser Typ kannte sich doch mit Risiken und Wahrscheinlichkeiten aus. Sie zwang sich, wieder an die Fragen zu denken, die sich indiesem Mordfall noch ergeben hatten. »Ich kann einfach nicht glauben, dass jemand nur um des Geldes willen einen Mord begeht. Ich muss ziemlich naiv sein. Kann es sein, dass eine Produktionsgesellschaft in eine so verzweifelte Lage gerät?«
»Hängt ganz davon ab, wie gesund die Finanzen von Banana Productions Limited sind«, erklärte Bernard zwischen Schmatzern.
Honey verging der Appetit. Bernard hatte ihr da ein paar ziemlich schwerverdauliche Bemerkungen vorgesetzt. Die Sache mit dem schaukelnden Wohnwagen machte es auch nicht besser. Er hing in der Luft und warf einen langen, dunklen Schatten, der sie sehr nervös werden ließ. Eine plötzliche Windbö brachte das Ding ins Kreiseln. Die Männer am Boden schauten nach oben, schoben ihre grellgelben Schutzhelme nach hinten. Sie wirkten aufgeregt. Irgendjemand brüllte etwas.
»Ich glaube, ich mag jetzt keinen Trifle«, sagte Honey, die bereits aufgestanden war.
»Äh …« Bernard wollte seinen Nachtisch nicht gern ungegessen stehen lassen.
Der Schatten des Wohnwagens fiel auf sie.
Die Männer mit den Schutzhelmen schrien etwas. Der Wohnwagen
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