Mord nach Drehbuch
schwankte noch mehr. Plötzlich wurde es ganz finster im Bus. Alles wackelte, als die eine Seite des Wohnwagens am Dach des Doppeldeckers entlangschrammte.
Honey rannte auf die Treppe zu. Bernard folgte ihr auf den Fersen. Konnten sie es noch ins Freie schaffen?
Honey hieb auf den Knopf ein, der die Tür öffnete. Ganz langsam und träge schob sie sich die ersten paar Zentimeter auf. Honey zerrte daran und war erstaunt über ihre Körperkräfte. Wenn eine Frau gegen die Gefahr kämpft, können eben alle Elektromotoren einpacken!
»Weit kann das Ding nicht fallen«, meinte Bernard.
Honey konstatierte, dass er ein Feigling war. Alles, was nach oben geht, muss auch irgendwann einmal wieder runterkommen,konnte Honey gerade noch denken. Selbst wenn es an einem superzugfesten Stahlseil hing.
Und richtig, der Wohnwagen krachte zu Boden.
Alle starrten mit weitaufgerissenen Mündern zur Absturzstelle – außer den Typen mit den Schutzhelmen. Die kommentierten die harte Landung des Wohnwagens mit einigen markigen Worten, von denen sicherlich keines Aufnahme in einem Drehbuch für einen jugendfreien Film finden würde.
Bernard sagte, was alle ohnehin schon selbst gesehen hatten: »Ich glaube nicht, dass jemand verletzt ist. Das Ding ist nur ein bisschen unsanft gelandet.«
»Ja, das habe ich auch gemerkt. So unsanft, dass es beinahe den Bus umgehauen hätte.«
Weil der fallende Wohnwagen ihn gestreift hatte, war der Wagen des Tatortteams ein wenig weitergerollt, aber inzwischen wieder zum Stillstand gekommen.
Plötzlich wurde die Tür von Martynas Wohnwagen aufgerissen. Das Absperrband der Polizei zerriss, als eine in warme Wollsachen gemummelte Gestalt herausstürzte und die Stufen hinunterrannte.
»Wer zum Teufel ist das denn?«
Bernard zuckte die Achseln.
Eigentlich hatte sie das zu sich selbst gesagt. Honey war nach wie vor ganz angespannte Aufmerksamkeit. Da war jemand an einem Ort gewesen, wo er rein gar nichts zu suchen hatte. In diesem Wohnwagen hätte niemand sein dürfen.
»Es sollte eigentlich ein Polizist dort Wache schieben. Wo ist der?«, murmelte Honey zu sich selbst.
Bernard meinte, sie hätte mit ihm gesprochen.
»Vielleicht ein dringendes Bedürfnis?«, schlug er vor. Plötzlich irritierte sie seine freundliche Stimme.
»Dem dreht Steve Doherty den Hals rum! Hier, halte mal!«
Aus irgendeinem Grund hatte sie den Teller mit dem Rest Risotto noch in der Hand. Sie klatschte ihn Bernard vor den Bauch. Risotto und Plastikbesteck flogen in alle Richtungen.
Doch wenn eine Frau eine Aufgabe zu erfüllen hat, kann sie auf solche Kleinigkeiten keine Rücksicht nehmen. Sie hatte die Verfolgung aufgenommen.
Von der vermummten Gestalt war keine Spur zu sehen.
Positiv denken!, beschwor sie sich, während sie rannte. Wenn ich von diesem Platz abhauen wollte, würde ich auf eine der drei Straßen zuhalten, die den Häuserkreis durchbrechen.
Aber auf welche?
Es hielten sich nur wenige Leute in der Umgebung auf. Nachdem sie im Bus oder am Cateringwagen ihr kostenloses Essen gemampft hatten, waren viele Statisten und einige von der Crew in den Salamander gegangen, eine kleine Kneipe mit einer phantastischen Atmosphäre.
Alle, die sie fragten, berichteten das Gleiche. Klar, sie hatten bemerkt, wie jemand vorbeirannte, aber sie waren zu sehr davon gebannt gewesen, wie der Wohnwagen vom Haken fiel. Haben Sie das auch gesehen? Haben Sie’s gesehen?
»Ich bin für so was einfach nicht gebaut«, murmelte Honey vor sich hin, während sie weiterrannte. »Und ich habe nicht mal einen Sport-BH an!«
Keuchend und mit hüpfenden Brüsten rannte sie weiter. Ein Sprint war es nicht gerade, aber sie war doch ziemlich flott unterwegs.
Da lief ihr Boris Morris, der unglückselige Regisseur dieses Films, vor die Füße. Für seine gegenwärtige Laune brauchte sie keinerlei Erklärung. »Ich bin stocksauer« war überdeutlich von seinem Gesicht abzulesen. Obwohl er im Augenblick versuchte, das Beste aus der Situation zu machen. Zweifellos lag das an seiner Begleitung. Sie war blond und schlank und hatte herrliche Kurven an genau den richtigen Stellen – nicht zu viele und nicht zu ausladende.
Honey klatschte sich die Handflächen vor die bebende Brust und kam atemlos zum Stillstand. »Haben Sie hier jemanden vorbeirennen sehen?«
Während sie auf die Antwort wartete, beugte sie sich einwenig zur Seite, um an ihm vorbeischauen zu können. Wer immer aus dem Wohnwagen herausgekommen war, konnte doch so weit noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher