Mord nach Drehbuch
der Seele. Gott weiß, wo diese Mädchenmiteinander tratschten, aber sie machten es bestimmt. Und junge Frauen teilten doch so allerhand miteinander: Freunde, Lippenstifte. Und Informationen!
Honey behielt den »Wir-sind-doch-alle-Schwestern«-Ton fall bei. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diese Fotos mitnehmen und ein wenig herumzeigen könnten. Ich habe ein paar Kopien. Das Hotel war so freundlich. Würde Ihnen das was ausmachen?«
Der Strass auf den Fingernägeln glitzerte, als die junge Dame nachdenklich mit vier langen Krallen auf den Tisch trommelte. Endlich hob sie die Augen und schaute Honey an.
»In Ordnung, aber ich kann nichts versprechen.«
Die Frau schob die Fotos in eine ihrer Designer-Tragetaschen. Honey linste in die Tüte und erspähte einen Gegenstand, der sicher nicht bei Harrods gekauft war. Das Ding sah aus wie eine Gurke, war aber aus Gummi und ganz gewiss nicht für einen Salat bestimmt.
Als die junge Dame sah, wohin Honey schaute, senkte sie den Blick. »Ich muss für meinen Lebensunterhalt sorgen. Ich habe zwei Kinder auf einer Privatschule.« Dann warf sie trotzig den Kopf in den Nacken. »Ich schäme mich nicht dafür, wie ich mein Geld verdiene.«
»Ich wollte Sie nicht kritisieren«, sagte Honey. »Ich brauche Ihre Hilfe. Außerdem, für unsere Kinder würden wir doch alles tun, oder? Aber auch für eine Freundin, die in Not ist?«
Die Züge der Frau entspannten sich. Nun befanden sie sich auf neutralem Gebiet, zwei hart arbeitende Frauen, beide Mütter. Sie wussten, worauf es im Leben ankam.
Die junge Frau drehte ein wenig den Kopf und schaute Honey von der Seite an. Die spürte, dass sie jetzt gleich eine Frage stellen würde.
»Darf ich Sie was fragen? Woher wussten Sie, dass ich auf den Strich gehe? Meine Kunden erwarten erstklassige Ware. Ich kann mir keine Fehler leisten. Und ich möchte auch das Hotelmanagement nicht in Verlegenheit bringen. Das hier istein schönes Hotel. Ich komme gern her. Was hat mich verraten?«
Honey deutete nach unten. »Ihre Schuhe. Sie haben Knöchelriemchen und zu hohe Hacken. Ihre Strümpfe lassen auch ein bisschen was ahnen, aber am verräterischsten sind die Schuhe. Wie wäre es, wenn Sie ganz schlichte Pumps trügen, mit nicht mehr als 9 Zentimetern Absatz? Und ganz einfache Strümpfe – ich nehme doch an, dass Sie Strümpfe tragen und keine Strumpfhosen?«
»Absolut. Die meisten meiner Kunden sind der Meinung, dass der Erfinder der Strumpfhose mit einer seiner Kreationen erwürgt werden sollte.« Sie streckte ein wohlgeformtes Bein unter dem Tisch hervor und betrachtete es. »Und Sie denken, einfache Strümpfe wären am besten?«
»Warum nicht? Sie haben sehr hübsche Beine. Tolle Waden und schlanke Fesseln. Warum sollten Sie die verbergen? Hell oder schwarz wäre am besten. Aber ohne Muster. Und ein schlichterer Schuh mit einem ein wenig niedrigeren Absatz.«
»Und Sie glauben, das würde den richtigen Eindruck vermitteln?«
Ihr Gesichtsausdruck war interessant. In diesem wunderschön zurechtgemachten Gesicht lag eine Verletzlichkeit, in der sich alle Frauen wiedererkennen würden: das Bedürfnis nach Anerkennung durch die Geschlechtsgenossinnen. Jede Frau maß dem größten Wert bei, was ihre beste Freundin von ihrem Outfit hielt.
Honey tat ihr den Gefallen. »Powerfrau. Managerin mit einem diskreten und ganz besonderen Geschmack.«
Großer Gott, dachte sie für sich. Ich mache mich hier zu einer Komplizin der Prostitution! Es hört sich ganz so an, als wüsste ich alles, was man über das Sexgeschäft wissen muss. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich allerdings auf dem Gebiet mehr als nur ein bisschen Rost angesetzt. Da fiel ihr ein, dass Steve Doherty ihr sicher bereitwillig assistiert hätte, bis alles wieder wie geschmiert lief. Immer mit der Ruhe, ermahnte sie sich. Gut Ding will Weile haben.
Sie reichte der jungen Frau ihre Visitenkarte. »Rufen Sie mich an, wenn irgendjemand etwas weiß.«
Die andere studierte die Karte. »Honey Driver. Mit dem Namen könnten Sie die eine oder andere Eroberung machen«, kommentierte sie mit einem verschmitzten Lächeln.
»Ach, ich glaube, ich habe mich inzwischen daran gewöhnt, dass mein Konto überzogen ist«, erwiderte Honey. »Ich ziehe mich lieber allein und im Dunkeln aus. Das muss am Alter liegen.«
»Schade. Hier ist meine Karte«, sagte die junge Frau. »Zoë Valli. Das ist mein Name. Meine Spezialitäten sind französische Zimmermädchen, Zucht und Disziplin.
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