Mord nach Drehbuch
Make-up, die richtigen Farben; makellos präsentiert. Bis auf die paar Kleinigkeiten.
Die Absätze waren zu hoch, und die Schuhe hatten ein Riemchen am Knöchel. Der Rock war zu kurz. Die Beine steckten in Netzstrümpfen – aber es war nicht das normale Netzgewebe, das feinere Netz war noch mit einem gröberen aus großen schwarzen Rhomben überzogen.
Neben einer italienischen Lederhandtasche in einem sehr schönen Korallenrot hatte die junge Frau – Honey schätzte sie auf etwa siebenundzwanzig – noch eine Reihe nobler Tragetaschen hereingeschleppt – von Harvey Nichols, Harrods und edlen Boutiquen. Alles verkündete, dass sie reichlich Geld ausgeben konnte.
Plötzlich bemerkte Doherty, wohin Honey schaute.
»Sieht aus, als hätte die Dame ernsthaft eingekauft.«
»Sieht aus, als hätte sie in Knightsbridge eingekauft.«
»Sieht aus, als hätte sie ein schönes Sümmchen ausgegeben.«
Typisch Mann. Doherty sah nicht, was sie sah. Sie musste über seine Naivität lächeln.
»Nein. Sie ist nicht zum Einkaufen hergekommen. Sie will was verkaufen. Und unser Freund Mr Coleridge war hier, um zu kaufen.«
Doherty starrte sie ungläubig an. »Die sieht doch viel zu nobel aus. Was hast du bemerkt, das ich nicht gesehen habe?«
»Die ist eine Klassedame, die auch Klassepreise verlangt. Bleib sitzen. Ich geh mal hin und unterhalte mich mit ihr.«
»He, ich bin hier der Polizist.«
»Eben.«
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn wieder auf den Stuhl zurück. Dann schaute sie ihm milde in die Augen. »Und ich bin eine Frau, deren Freundin Perdita Moody vermisst wird. Was meinst du, wem von uns beiden wird sie wohl eher antworten?«
Das war nur zu klar, und Doherty gehorchte und setzte sich brav wieder hin.
»Bestell dir noch mehr Tee und Butterkekse«, schlug Honey ihm vor.
Mit Perditas Fotos in der Hand und der Handtasche über der Schulter machte sich Honey auf den Weg zu dem Ecktisch.
Als sie näher kam, erkannte sie, dass der Schmuck wirklich Modeschmuck war, wenn auch sehr teurer. Er sah aus, als könnten es alte Stücke sein, erstklassig, genau wie die Kleidung. Das Kostüm war ganz schlicht: keine Rüschen, keine Schleifen, kein übermäßig betontes Dekolleté. Nur die Schuhe und die Netzstrümpfe waren ein wenig enttäuschend, hätten eher in einen Nachtklub in der Vorstadt als in ein Bistro in Biarritz gehört.
»Entschuldigen Sie«, sagte Honey freundlich. »Ich bin Reporterin für eine überregionale Zeitung und war mir nicht sicher, ob Sie nicht vielleicht eine Berühmtheit sind. Habe ich recht?«
Die junge Dame mit dem makellos geschminkten Gesichtmusterte sie. Elegant geschwungene Augenbrauen, die nur ein Profi so zupfen konnte, wurden überrascht hochgezogen. »Es tut mir leid, da irren Sie sich. Ich warte auf einen …«
Honey unterbrach sie. »Wir sollten uns unterhalten. Oder wäre es Ihnen lieber, wenn ich vom Sicherheitspersonal des Hotels Ihre Personalien überprüfen lasse?«
Honey setzte sich und nutzte den Vorteil aus.
Mit Gold und Diamanten geschmückte Finger umklammerten die Griffe der Tragetaschen. Die braunen Augen blickten verängstigt.
»Sind Sie von der Polizei?«
»Nur um ein paar Ecken herum. Ich suche eine vermisste Person. Könnten Sie einen Blick auf diese Fotos werfen? Vielleicht haben Sie die junge Frau schon einmal hier in diesem Hotel gesehen?«
»Ich bin sicher, da kann ich Ihnen nicht helfen.«
Sie wandte ihren Blick nicht von Honeys Gesicht.
»Ich glaube, Perdita ist hierhergekommen, um sich mit einem Kunden zu treffen, und nun ist sie verschwunden. Ihre Familie macht sich große Sorgen um sie. Sie möchten doch sicher auch, dass jemand Ihrer Familie hilft, falls Sie nach einem Treffen mit einem Kunden vermisst würden.«
Einen Augenblick lang wirkten die wissenden Augen so, als überlegte die junge Frau, ob sie helfen sollte oder nicht. Endlich schaute sie sich die beiden Fotos nacheinander an.
»Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Ich habe sie noch nie gesehen.«
Enttäuscht, aber nicht gerade überrascht überlegte Honey, wie sie jetzt am besten weiter vorgehen sollte. Sicherlich frequentierte mehr als nur eine Edelnutte dieses Hotel, und wie Arbeiterinnen in einer Fabrik kannten sie einander doch bestimmt alle ein wenig.
In Büros oder Fabriken tauschte man sich über seine Erfahrungen aus, und man redete sich bei der Kaffeemaschine oder in der Kantine den Ärger über die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen von
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