Mord nach Drehbuch
nicht.
»Großartig!«, krähte Gloria. »Sie sind unser Ritter ohne Furcht und Tadel!«
Mit einer Handbewegung tat er ihre Dankbarkeit ab. »Kei ne Ursache, Gnädigste. Die Karten werden nicht benötigt. Ich habe an dem Abend einen anderen Termin.«
»Meine Güte«, sagte Gloria und wandte sich ihrer Tochter zu. »Warte nur ab, bis du mein Stück zu hören bekommst! Dann wirst du froh sein, dass wir noch Plätze ergattert haben!«
Honeys Lächeln blieb starr. »Toll.«
Gloria schaute auf ihre goldene Gucci-Armbanduhr. »Ach, so spät schon! Ich treffe mich zum Mittagessen mit den Mädels. Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte sie zu Casper. »Und noch einmal vielen herzlichen Dank! Meine Güte, wenn ich erst den Mädels erzählen kann, dass ich einen Preis gewonnen habe!«
Die erwähnten Mädels waren alle reichlich über siebzig. Und Einmischung in das Leben der diversen Töchter stand auf der Prioritätenliste bei den mittäglichen Treffen dieser Gruppe ganz oben.
Gloria winkte neckisch und zwinkerte Casper auf dem Weg nach draußen noch einmal zu.
Der zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. Honey war das alles unendlich peinlich. Casper war zwar so ungefähr in Glorias Altersklasse, aber ein Hetero war er gewiss nicht.
Honey nahm sich vor, ihrer Mutter bald einmal zu stecken, dass sie hier auf dem Holzweg war.
»Sie haben vielleicht ein Glück!«, sagte Casper und lächelte sie an. »Ich denke, es ist Ihnen bekannt, dass es sich hier um Amateur-Dramatiker handelt? Deren jammervolle Ergüsse sind eine Beleidigung für das Ohr und die Intelligenz. Es wird sich um lange Tiraden handeln, verfasst von Möchtegern-Dramatikern, Leuten mit Riesen-Ego und Mini-Talent.«
Honey fuhr sich in hochdramatischer Geste über die Stirn und stellte eine ziemlich gute Imitation einer theatralischen Tragödin zur Schau. »Angst bemächtigt sich meiner Seele! Casper! Wie konnten Sie mir dies antun?«
»Meine aufrichtige Entschuldigung. Aber ich hatte keine andere Wahl.«
»Ich werde mir vorher ein paar Drinks genehmigen.«
»Vielleicht besser hinterher. Einschlafen und leise schnarchen, das würde gar nicht gut ankommen.«
Doherty kam kurz nach dem Mittagessen bei ihr vorbei. Er hatte zunächst mit dem Gedanken gespielt, mit einer Polizistin bei Miss Cleveley vorbeizuschauen, es sich aber anders überlegt. Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass die nette alte Dame vor Schreck einer Herzattacke zum Opfer fiel. Er musste ihr dringend ein paar Fragen stellen, und wenn Honey dabei war, der Miss Cleveley vertraute, dann wäre das sicherlich hilfreich.
Zwei Katzen begrüßten die beiden an der Tür des kleinen Häuschens. Miss Cleveleys strahlende Augen schauten sie fragend unter einem spitzenbesetzten Häubchen hervor an.
»Meine Güte! Es ist eigentlich nicht meine Gewohnheit, nach Mittag noch Besucher zu empfangen. Ich ziehe den Morgen für Visiten vor.«
»Ich bin in offizieller Angelegenheit hier«, sagte Doherty und wedelte mit seinem Dienstausweis.
Honey sorgte sich, dass dies die alte Dame verstören würde, obwohl sie wie Doherty darauf brannte, herauszufinden, was Miss Cleveley im Wohnwagen von Martyna Manderley gemacht hatte.
Sie sprach mit leiser Stimme und freundlicher Miene. »Er möchte Ihnen einige Fragen zum Tod von Martyna Manderley stellen. Ich hoffe, das macht Ihnen nichts aus.«
Wenn es Miss Cleveley etwas ausmachte, so ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. Vielleicht lag es daran, dass sie in ihren Gedanken in der Vergangenheit lebte und nur körperlich in der Gegenwart. Diesen Körper hatte sie mit einem Spitzenhäubchen und einer Kreation aus wallendem hellblauem Musselin mit winzigen rosa Rosenknospen bekleidet. An den Füßen trug sie flache Ballerinaschuhe, die mit kreuzweise um die Knöchel geschlungenen Seidenbändern befestigt waren.
»Bitte treten Sie sein. Entschuldigen Sie meinen Aufzug. Ich hatte keine Besucher erwartet.«
Sie führte sie ins Wohnzimmer.
»Sieh dir nur diese Kostümierung an!«, flüsterte Honey.
Doherty blickte verständnislos zu ihr. »Wieso?«
Honey seufzte. »Doherty, aus dir wird nie ein Modekenner.«
Er schnitt eine Grimasse. »Gott sei Dank!«
Miss Cleveley forderte sie auf, Platz zu nehmen. Doherty ließ sich auf einem Lehnstuhl nieder. Honey setzte sich auf einen Zweisitzer mit geschwungener Rückenlehne und Samtkissen.
»Kann ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?«, fragte die alte Dame.
Doherty lehnte dankend ab.
»Danke nein«,
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