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Mord nach Drehbuch

Mord nach Drehbuch

Titel: Mord nach Drehbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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außerordentlich pikiert sein, wenn wir einschlafen. Das würde sie uns ewig vorwerfen.«
    Lindsey sollte in allem recht behalten. Das Heizungssystem im Old Pavilion, wo die Lesungen stattfanden, wurde über einen uralten Kessel betrieben, der sehr eigenwillig war. Es gab nur Extreme: Entweder es war kaum überschlagen im Raum oder glühendheiß. Heute letzteres.
    Die Zuhörer fächelten sich mit den Programmheften Kühlung zu. Manche schlummerten ein.
    Die Frau, die neben Honey saß, hatte offensichtlich arktische Temperaturen erwartet. Verstohlen zog sie eine Wärmflasche unter ihrem dicken Wollponcho hervor.
    »Die Hitze wird nicht lang anhalten. Man hat mich gewarnt. Ich lege mir die Wärmflasche auf die Füße«, erklärte sie, als sie Honeys fragenden Blick bemerkte.
    »Gute Idee.«
    Dann wurde der Poncho abgelegt und über die Knie gebreitet.
    Lindsey schaute sich neugierig um.
    »Die da kenne ich«, sagte sie.
    Honey konnte nicht ausmachen, wen sie meinte. Es würde jeden Augenblick losgehen. Also fragte sie nicht weiter.
    »Meine Damen und Herren …«
    Die Moderatorin war auf die Bühne getreten.
    Die ersten drei oder vier Stücke wurden vorgestellt. Drei kurze Einakter über innere Ängste, soziale Missstände und die Ansichten eines Studenten darüber, wie schrecklich es auf der Welt zuging und wie man das am besten ändern könnte.
    »Als hätte noch nie zuvor jemand über so etwas nachgedacht«, murmelte Honey.
    »Krass«, meinte Lindsey.
    »Der lernt das auch noch«, meinte Honey.
    Der alte Kessel heizte tapfer weiter. Die antiken Heizkörper begleiteten die Lesung mit metallischem Summen und dem einen oder anderen kleinen Rülpser aus dem Rohrsystem.
    Honey merkte, dass ihr die Augenlider schwer wurden. Sie versuchte, ihren Mantel auszuziehen, aber dazu war nicht genug Platz. Also war sie wie eine Apfelpastete im Backofen dazu verurteilt, in der Schale im eigenen Saft zu brutzeln, bis sie gar war.
    »Oma ist die Nächste«, murmelte Lindsey, während sie dem Vorgänger applaudierten.
    Honey riss die Augen weit auf. »Danke für den Rippenstoß! Ich wäre gerade beinahe eingeschlafen.« Sie zwang sich, aufrecht zu sitzen. Sie durfte nicht einschlafen, ganz egal, wie furchtbar das Stück auch war.
    »Unser Gewinner …«
    Honey hörte zu. Die Moderatorin sprach lang und breit über das Theaterstück ihrer Mutter und zwei andere, die außerdem noch um den Preis des Abends wetteiferten – einen eintägigen Drehbuch-Workshop mit Robert McKee in London. Die Spannung brachte sie beinahe um.
    »Ich wünschte, die Frau würde endlich den Gewinner verkünden, und Schluss damit«, tuschelte Honey ihrer Tochter zu. »Dann könnten wir ihr unser Beileid aussprechen und endlich nach Hause gehen.«
    »Oder feiern. Wer weiß?«
    Honey schüttelte den Kopf. »Das wage ich zu bezweifeln. Es ist sicher eine zuckerige Romantikgeschichte, lass es dir gesagt sein.« Ihre Mutter las bergeweise solche pappsüßen Kitschromane.
    Lindsey stimmte ihr zu.
    Nun erhob die Moderatorin wieder die Stimme. Sie war eine schlaksige Frau mit Pferdezähnen und einem Hauch Schnurrbart auf der Oberlippe. Erst lobte sie noch einmal alle Teilnehmer und betonte, wie schwer den Juroren ihre Aufgabe gefallen war. Schließlich und endlich, als das Publikum schon anfing, mit den Füßen zu scharren, kam sie zum Wesentlichen.
    »Nach langen, sorgfältigen Beratungen haben die Juroren ein einstimmiges Urteil gefällt. Der Gewinner dieser Spielzeit ist …«
    Genau wie in den Talentshows im Fernsehen machte sie eine kleine Pause, ehe sie den Namen verkündete.
    » Jack und ich
von Gloria Swanson-Cross.«
    Es wurde stürmisch applaudiert.
    Honey saß wie vom Donner gerührt da.
    Der Applaus ebbte ab. Die Moderatorin fuhr mit ihrer Ansage fort. »Ich freue mich sehr, dass unser preisgekröntes Stück heute vorgelesen wird.«
    Honey und ihre Tochter schauten einander verdattert an. Der Titel ging ja noch. Es konnte eine Romanze sein oder auch nicht. Aber Gloria Swanson-Cross? Den ersten Nachnamen hatte sie von dem berühmten Filmstar aus alter Zeit geklaut. Großmutter hatte keinerlei Recht, sich so zu nennen. Das lief wohl unter dem Begriff dichterische Freiheit?
    Aber das war längst nicht alles. Honey und Lindsey blieb der Mund sperrangelweit offen stehen, als sie den Mann und die Frau sahen, die das Stück lesen würden. Die Frau kannten sie nicht. Den Mann dafür umso besser. Es gab nur einen, der ein Spinnennetz als Tätowierung am Nacken hatte

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