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Mord nach Drehbuch

Mord nach Drehbuch

Titel: Mord nach Drehbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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und so viele Ringe in den Ohren und der Nase, dass man Gardinen daran hätte aufhängen können.
    »Unsere Leser sind heute Mr. Rodney Eastwood und Lady Cynthia Morrison-Page. Bitte heißen Sie sie willkommen.«
    Während des Auftrittsapplauses zischte Honey ihrer Tochter zu: »Seit wann macht Clint denn bei einer Laienspieltruppe mit?«
    »Interessanter Kontrast«, zischte Lindsey zurück.
    Honey hatte gerade das Gleiche gedacht. Rodney (Clint) Eastwood, der die männliche Rolle übernommen hatte, war ein Hansdampf in allen Gassen. Er hatte wirklich seine Finger in allem, und nicht all seine Unternehmungen waren streng genommen legal. Von dieser speziellen Betätigung hier hatten sie jedoch noch nichts gehört. Es war eine seltsame, beinahe exotische Aufgabe für Clint, den sie bisher nur beim Abwasch, als Verkäufer im Laden eines Freundes und als Rausschmeißer im Zodiac gesehen hatten.
    Die Leserin der weiblichen Rolle hatte schneeweißes Haar, das sie mit einem Samtband zurückgebunden hatte, und war mindestens sechzig Jahre alt. Da sie einen Adelstitel trug, kam sie auch sonst vom völlig anderen Ende des Spektrums als Typen wie Clint.
    »Ehe wir beginnen, würde ich Ihnen gern noch eine kurze Beschreibung des Inhalts geben«, fügte die Moderatorin hinzu. »Es handelt sich um einen Einakter über Präsident John F. Kennedy und Marilyn Monroe. Das Stück geht davon aus, dass sie ihn verführt hat und nicht umgekehrt er sie, wie allgemein angenommen wird. Ich muss Sie auch warnen, dass das Werk explizite Sexszenen und drastische Ausdrücke enthält.«
    Honey und Lindsey blieb die Spucke weg.
    Schon bei der Erwähnung des Themas hatten die Zuschauer ringsum zu murmeln begonnen. Die Schnarcher waren plötzlich wieder hellwach und schnüffelten, als hätte das Thema Sex nun ein ganz eigenes Aroma in den Raum gebracht.
    Es herrschte gespanntes Schweigen. Kein einziger Zuschauer stand auf, um zu gehen. Ein älterer Herr drehte dieLautstärke an seinem Hörgerät höher und lehnte sich erwartungsvoll vor.
    Das Stück begann. Die Leser sprachen überzeugend. Zum Glück war es keine Bühnenproduktion, sodass sie sich nicht auszogen oder einige der wilden Umarmungen vollzogen, die der Dialog andeutete. Das schien dem Publikum nicht aufzufallen.
    Am Ende herrschte benommenes Schweigen. Es war, als erwarteten die Zuschauer noch mehr. Als deutlich wurde, dass nichts mehr folgen würde, brauste der Applaus los. Und noch mehr Applaus. Jemand rief »Zugabe«, und noch jemand.
    Die Schauspieler verbeugten sich lächelnd.
    Clint winkte Honeys Mutter zu ihnen aufs Podium.
    Gloria Swanson-Cross strahlte hell wie ein spanischer Sommermorgen, als sie sich erhob.
    Bis jetzt hatte sie, von ihrer Familie unbemerkt, neben den anderen Möchtegern-Dramatikern und Mitgliedern des Literaturklubs in der ersten Reihe gesessen.
    Als sie auf die Bühne trat, hielten Honey und Lindsey die Luft an.
    »Großer Gott!«, flüsterte Honey für alle deutlich hörbar.
    »Danielle Steel kann abstinken!«
    Honey hätte ihre Tochter daran erinnern können, dass es hier um ein Theaterstück und nicht um einen Roman ging, aber sie hatte schon verstanden, was Lindsey gemeint hatte. Gloria war in ein todschickes schwarz-weißes Ensemble gekleidet. Das Kleid war schwarz mit großen weißen Knöpfen und einem riesigen weißen Kragen. Die Krempe eines großen Panamahutes verdeckte eine Seite ihres Gesichts. Die Lesebrille hing ihr an einer Kette um den Hals. Die war völlig überflüssig, denn ihre Mutter hatte sich vor zwei Jahren die Augen lasern lassen. Die Brille war also, das begriff Honey, nur ein modisches Accessoire, ebenso wie die Zigarettenspitze aus Ebenholz.
    »Hat Oma zu rauchen angefangen?«, fragte Lindsey.
    Honey schüttelte den Kopf, weil es ihr buchstäblich die Sprache verschlagen hatte. Ihre Mutter spielte ihre Rolle phantastisch. Heute war sie Dramatikerin, und zwar das genaue Gegenteil des armen Poeten, der in der Dachkammer ein Hungerdasein fristete. Dieses Outfit war brandneu. Sie hatte weder Kosten noch Mühen gescheut.
    »Warten wir noch auf sie?«, flüsterte Lindsey.
    »Wir müssen.«
    Eigentlich hatten sie geplant, nur kurz vorbeizuschauen, sich das Stück ihrer Mutter anzuhören und dann schnell wieder zu verschwinden. Nun hatte Gloria einen Preis gewonnen, und da sah die Sache schon anders aus. Sie konnten schlecht gehen, ohne sie zu umarmen und zu küssen und ihr zu sagen, was für eine tolle Frau sie war. Wehe ihnen, wenn sie ihr

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