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Mord Nach Maß

Mord Nach Maß

Titel: Mord Nach Maß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Nicht dass ich sonderlich darauf geachtet hätte. Zufällig erinnerte ich mich später daran, das ist alles. Danach – oder auch vorher, ich weiß es nicht mehr genau – fragte ich den Alten, ob denn noch Zigeuner in der Gegend wären. Nein, meinte er, davon gäb’s ja heutzutage nicht mehr allzu viele, auch anderswo nicht; die Polizei schiebe sie immer ab.
    »Was haben die Leute nur gegen Zigeuner?«
    »Dieses Diebsgesindel«, raunzte er. Und dann wurde sein Blick schärfer. »Oder haben Sie zufällig auch’n Tropfen Zigeunerblut in den Adern?«
    Nicht dass ich wüsste, antwortete ich. Sicher, ich habe etwas Südländisches an mir, das manche Leute an einen Zigeuner erinnert; vielleicht faszinierte mich deshalb auch die Geschichte von Gipsy’s Acre so. Also Gipsy’s Acre. Ich schlug die Straße ein, die in vielen Kurven aus dem Dorf hinaus und durch dunklen Wald hügelaufwärts führte, bis zum Gipfel, wo sich der Blick aufs offene Meer und die Schiffe auftat. Die Aussicht war unvergleichlich schön, und ich dachte: Wenn Gipsy’s Acre nun dir gehörte? Als ich unten wieder an meinem Heckenstutzer vorbeikam, meinte er: »Also, wenn Sie’s mit’n Zigeuner haben, dann gehn Se man zu Oma Lee. Was der Major is, der lässt sie in der Hütte wohnen.«
    »Welcher Major?«
    »Major Phillpot, natürlich.« Der Ton verriet seine ganze Empörung, dass ich überhaupt danach fragte.
    Ich wünschte ihm einen Guten Tag und wandte mich zum Gehen; da fügte er hinzu: »Die letzte Kate da unten an der Straße, das is ihre. Kann sein, dass sie im Garten is, sie hält’s nie lang aus in ihren vier Wänden. Wie alle mit Zigeunerblut.«
    Und so schlenderte ich weiter die Straße hinunter, vor mich hin pfeifend und in Gedanken bei Gipsy’s Acre. Fast hatte ich schon wieder vergessen, was mir da erzählt worden war, als mir eine große schwarzhaarige Alte auffiel, die mich über ihre Gartenhecke hinweg anstarrte. Da wusste ich, dass ich Mrs Lee vor mir hatte. Ich blieb stehen.
    »Angeblich können Sie mir mehr von Gipsy’s Acre da oben erzählen«, begann ich.
    Unter einer schwarzen Strähne hervor funkelte sie mich stumm an. Dann sagte sie: »Da lässt du lieber die Finger davon, junger Mann. Glaub mir und denk nicht mehr daran. Du bist ein hübscher Kerl, und von Gipsy’s Acre ist noch keinem Gutes widerfahren. Nie und nimmer.«
    »Es ist doch zum Verkauf ausgeschrieben.«
    »Jawohl, das ist es, und ein Narr, der’s kauft.«
    »Haben sich schon Käufer gemeldet?«
    »Bauunternehmer, und mehr als einer. Das geht billig weg, glaub mir.«
    »Warum denn?«, widersprach ich. »Es ist doch ein erstklassiger Besitz.«
    Darauf gab sie keine Antwort.
    »Also angenommen, ein Bauunternehmer erwirbt es – was dann?«
    Sie kicherte in sich hinein, es war ein böses, unangenehmes Lachen. »Was wohl? Dann lässt er das alte verkommene Haus abreißen und fängt an zu bauen. Zwanzig, dreißig Häuser kann er da hinstellen, und alle mit dem Fluch drauf.«
    Das letzte ignorierend, meinte ich nachdenklich: »Das wäre schade, jammerschade.«
    »Ah, keine Sorge, sie werden schon nicht froh damit; nicht die neuen Herren, und auch nicht die Maurer und Zimmerleute. Da wird ein Fuß auf der Leiter ausrutschen, dort wird eine Kiesfuhre verunglücken oder ein Ziegel vom Dach fallen und sein Ziel finden. Und dann die Bäume – vielleicht knickt sie ein plötzlicher Sturm. Du wirst schon sehen. Keiner wird froh auf Gipsy’s Acre. Es täte ihnen besser, sie ließen’s in Ruhe. Du wirst sehen, du wirst’s schon sehen.« Sie nickte heftig und wiederholte leise, wie zu sich selbst: »Es bringt kein Glück, sich mit Gipsy’s Acre einzulassen, nie und nimmer.«
    Ich musste lachen, und sie fuhr mich an: »Lach nicht, junger Mann. Es könnte dir eines Tages im Hals steckenbleiben, das Lachen. Da oben liegt kein Segen drauf, nicht auf dem Haus und nicht auf dem Boden.«
    »Was ist denn passiert mit dem Haus?«, wollte ich wissen. »Warum steht es so lange leer? Wieso lässt man es verfallen?«
    »Sie sind alle gestorben, die Leute, die’s zuletzt bewohnt haben. Alle.«
    »Wie gestorben?«, fragte ich aus purer Neugier.
    »Das lässt man besser ruhn und spricht nicht mehr davon. Aber hinterher hat keiner mehr dort wohnen wollen, ’s wurde alles dem Moder und Zerfall überlassen. Heute ist’s in Vergessenheit geraten, und so soll’s auch bleiben.«
    »Aber Sie wissen, wie’s war«, schmeichelte ich. »Sie könnten mir die ganze Geschichte

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