Mord ohne Leiche
dafür danken, was Sie für meinen Jungen getan haben«, sagte sie.
Ich zuckte mit den Schultern. Diese,
meiner Meinung nach, unverdiente Dankbarkeit machte mich verlegen. »Ich habe
nur meinen Job getan. Glücklich bin ich allerdings, daß die Sache jetzt endlich
gut werden kann.«
»Gut werden wird, das weiß ich.«
Sie blitzte uns mit einem noch strahlenderen Lächeln an. »Heute beherrscht mich
ganz und gar positives Denken. Als ich gestern erfahren habe, daß die Leiche
des Mädchens aufgetaucht ist, war ich einfach im Himmel. Und ich bin es immer
noch.«
»Gestern?« sagte ich. »Sogar Jack hat
es erst heute morgen erfahren.«
»Leora weiß es aus der Klinik«, sagte
Jack. »Sie hat gestern in der Aufnahme gearbeitet, da kam die Frau von Larkeys
Partner vorbei, weil sie Larkey suchte. So konnte sie die Nachricht über Tracy
persönlich überbringen.«
Vielleicht hatte Kathy Soriano am Ende
doch ein Herz. »War er da?«
»Nein«, sagte Leora. »An Feiertagen
macht kein Zahnarzt bei uns Dienst, aber wir haben immer jemanden in
Rufbereitschaft. Jedenfalls muß jemand Jay erreicht haben, denn er hat gleich
als erstes heute morgen die Unterlagen nach Napa gebracht, um so zur
Identifikation beizutragen.«
Ich wußte, daß die Zahnärzte von der
Gerichtsmedizin den eigenen Zahnarzt eines Opfers hinzuziehen, wann immer das
möglich ist. Der Gebißstatus und besonders die Röntgenaufnahmen ließen stets
viele Interpretationen zu, deswegen war es hilfreich, jemanden an der Hand zu
haben, der die betreffende Person kannte. Ich fragte: »Wie hat Larkey die
Nachricht denn aufgenommen?«
»Der arme Mann war entsetzt und
zugleich auch froh, daß mein Junge jetzt entlassen wird.«
Jack sagte: »Leora, ich muß Sie warnen:
Wir haben noch eine weite Strecke vor uns. Dieser Beweis ebnet den Weg für
einen neuen Prozeß. Aber Bobby könnte erneut verurteilt werden.«
Sie runzelte die Stirn. »Aber die
Leiche da oben in Napa beweist, daß sein Geständnis nicht stimmt. Und Sie
haben« — sie sah Jack an — »mir doch heute morgen am Telefon gesagt, das
Mädchen habe einen Strafzettel bekommen, so daß Bobby gar nicht genug Zeit
gehabt hätte, hinauszufahren und vor Feierabend im Club zurück zu sein.«
Ich sagte: »Es gibt keinen eindeutigen
Hinweis auf den Zeitpunkt ihres Todes. Nach dem Zustand ihrer sterblichen
Überreste wird der Pathologe ihn auch nicht genau fixieren können. Und selbst
wenn er es könnte, muß eine Jury den Aussagen seiner Parkwächterkollegen nicht
unbedingt glauben, wenn sie behaupten, Bobby sei zum Feierabend im Club
zurückgewesen.«
Jack fügte hinzu: »Wir können einfach
nicht wissen, wie die Staatsanwaltschaft eine neue Anklage gegen ihn aufbauen
würde.«
Leora schüttelte den Kopf, daß die
Ohrringe heftig hin und her schwangen. »Aber er hat sie nicht umgebracht.«
»Das wissen wir«, sagte ich, »und
deswegen wollen wir herausfinden, wer es getan hat.«
Einen Augenblick lang wirkte sie
niedergeschlagen, aber — dann fing sie sich wieder. »Ich weiß einfach, daß Sie
es schaffen, denn ein Wunder haben Sie ja schon vollbracht.«
Jack klopfte ihr ermutigend auf die
Schulter und stand auf, um mit dem Beamten an der Besucheranmeldung zu reden.
Als er zurückkam, sagte er: »Wir sind dran. Wollen Sie mitkommen, Leora?«
»Ich spreche lieber allein mit meinem
Jungen«, sagte sie. »Da kriegt er mehr Besuchszeit. Das Warten macht mir nichts
aus.«
Jack und ich verabschiedeten uns von
ihr und gingen in den abgeteilten Raum, den man uns zugewiesen hatte. Die Tür
wurde geschlossen und verriegelt. Jack legte seine Aktentasche auf den Tisch
und holte Akten und einen Notizblock heraus. Er fragte: »Wie willst du nun vorgehen?«
»Du erklärst ihm, daß ich Tracys Leiche
gefunden habe, und dann erzähle ich weiter.«
»Was willst du noch aus ihm
herauskriegen?«
»Bobby verbirgt uns irgend etwas. Es
hat mit seinem Streit mit Tracy zu tun, als sie in jener Nacht den Club
verließ. Ich habe eine dunkle Ahnung, worum es ging, und das möchte ich von ihm
bestätigt bekommen.«
Jack sah mich neugierig an, nickte dann
aber nur.
Nach ungefähr zehn Minuten ließ man
Bobby auf der anderen Seite des Gitters in den Raum. Er wirkte argwöhnisch, als
er Jack und mich begrüßte. Steif setzte er sich auf seinen Stuhl. Ich konnte
mir denken, daß bei jedem Gespräch zwischen ihm und Jack erst einmal eine ganze
Zeit verging, bis sich wieder eine Beziehung aufgebaut hatte. Jack erklärte ihm
mit
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