Mord ohne Leiche
Drinks.«
»Wo?«
»Irgendeine Bar, ich weiß nicht mehr,
wo.«
»Denken Sie nach.«
Er dachte nach. Und schüttelte den
Kopf. »Na ja, ich hatte schon einige weg, um in Schwung zu kommen für das
Gespräch mit Tracy. Mit dem Zeug intus...«
»Gut, wenn Ihnen etwas einfällt, lassen
Sie es mich sofort wissen. Sie sind also herumgezogen, haben ein paar Drinks
gekippt und sind wieder zum Club zurück, so gegen Feierabend.«
»Stimmt. Ich wollte sehen, ob die
anderen Kumpel mich bei Larkey decken würden.«
»Haben sie?«
»Ja.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Hören Sie, das habe ich Ihnen alles
schon erzählt.«
»Erzählen Sie es mir noch einmal.«
»Ich bin zu einem Mädchen gegangen, das
ich kenne. Aber es war nicht daheim. Danach ging ich zur Wohnung meiner Mutter.
Sie arbeitet nachts in der Klinik. Meine Brüder waren irgendwo. Bei den Kleinen
machte die alte Oma von nebenan den Babysitter. Die einzige, die mich gesehen
hat, aber das hilft mir auch nicht, weil sie den Monat darauf gestorben ist,
bevor dieser ganze Mist anfing.«
Jetzt seufzte ich. Er erzählte es wie
beim erstenmal. Es trug den unmißverständlichen Stempel der Wahrheit. Doch es
brachte kaum seine Geschichte voran.
Bobby sah von mir zu Jack und wieder
zurück. »Klingt nicht besonders gut, wie?«
Ich schob meine Umhängetasche und den
Aktenkoffer zusammen. »Heute sieht es schon besser aus als letzte Woche. Wir
packen es Schritt für Schritt.« Ich wollte jetzt zurück in die Stadt und Stan
Gurski in Napa anrufen, um zu hören, ob man mit der Identifikation der
Überreste schon vorangekommen war. Und ich mußte bei Rae nachfragen, ob sie
etwas über Lisa McIntyre herausgekriegt hatte. Und dann war da noch George...
»Du gehst?« fragte Jack.
»Ja. Ich melde mich später bei dir.«
Wir waren jeder im eigenen Wagen gekommen, darum gab es für mich keinen Grund,
auf ihn zu warten.
Bobby sagte: »Ich danke Ihnen noch
einmal.«
»Gern geschehen. Sehen Sie zu, daß Sie
nicht den Mut verlieren. Wir bringen die Sache hinter uns.«
»Ich wünschte...« Er zögerte.
»Was?«
»Ich weiß nicht. Die ganze Zeit habe
ich gehofft, Sie finden sie lebend. Damit ich die Dinge zwischen uns klären
könnte.«
Daraus wußte ich keine Antwort. Ich
wußte aus bitterer Erfahrung, daß jeder Sterbende ein Stück von uns mitnimmt,
aber wenn ein Tod ungelöste Probleme hinterläßt und ungesagte Dinge, dann ist
es am schmerzlichsten.
14
»Nach Larkeys Aussage hatte Lisa McIntyre
in der Nacht, als Tracy Kostakos verschwand, im Club gearbeitet. Nach dem
Dienstplan hatte sie in jener Woche Freitag und Samstag frei. Sonntags war
geschlossen, also war ihre nächste Schicht Montagabend. Sie hatte sich nicht
wieder blicken lassen und auch ihren letzten Scheck nicht abgeholt. Meiner
Erfahrung nach ein merkwürdiger Zufall... Sharon, hörst du mir zu?«
Das tat ich, allerdings nur halb. Die
andere Hälfte meiner Aufmerksamkeit war nach innen gerichtet und konzentrierte
sich auf Marc Emmons. Ich hatte Detective Gurski morgens angerufen und ihm die
Informationen über Amy Barbours Besuch im Cottage und Emmons’ Rat, nicht zur
Polizei zu gehen, weitergegeben. Gurski, wollte die Kollegen aus San Francisco
bitten, sie zum Revier zu bringen und festzuhalten, bis er sie verhört hatte.
Doch als ich nach der Rückkehr aus San Quentin noch einmal angerufen und ihm
erzählt hatte, daß Tracy in der Nacht ihres Verschwindens vielleicht auf dem
Weg zu Marc Emmons gewesen sei, sagte er, man habe die beiden noch nicht
ausfindig machen können. Das hieß wahrscheinlich, daß ich sie in Panik versetzt
hatte und sie davongelaufen waren. Es tat mir leid, daß ich die Situation
verpatzt hatte.
Als Antwort auf Raes klägliche
Rückfrage sagte ich: »Ein merkwürdiger Zufall. Du hast recht. Hat jemand vom
Club versucht, die McIntyre ausfindig zu machen?«
»Larkey ist langsam unruhig geworden
und hat die Frau seines Partners noch in derselben Woche zu ihrer Wohnung
geschickt, aber sie war verschwunden.«
Ich sah aus dem Fenster meines Büros,
das auf die Bucht ging, und beobachtete, wie sich Dunst über die weite,
monotone Fläche des Outer-Mission-Distrikts legte. Dann schwang ich mich herum
und sah Rae an. Sie schritt sehr exakt das geometrische Muster auf dem alten Orientteppich
ab. Das tat sie oft, wenn sie mit mir über einen Fall sprach. Das war wohl ihre
Methode, sich zu beruhigen und ihre Gedanken zu ordnen, die ihr oft genug
blitzschnell und
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