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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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chaotisch herausschossen.
    »Was meinst du mit ›verschwunden‹?«
fragte ich. »War sie ausgezogen?«
    »Offensichtlich. Die meisten ihrer
Sachen waren weg. Die Hausverwalterin erklärte Kathy Soriano, sie habe nicht
gekündigt, und es habe sie auch niemand gehen sehen.«
    »Interessant. Das hätte eigentlich der
Polizei gemeldet werden müssen. Ich möchte, daß du der Sache nachgehst. Sprich
mit der Hausverwalterin und mit Kathy. Hast du irgendwelche Anhaltspunkte,
wohin Lisa McIntyre gegangen sein könnte?«
    »Nein. Da gibt es nicht viele
Möglichkeiten. Sie war erst kurz zuvor aus einem anderen Bundesstaat hergezogen
— Larkey meint, sie stammt aus Oklahoma — und hatte sich nicht einmal um einen
kalifornischen Führerschein gekümmert. Ich habe den Eindruck, Larkey war nicht
allzu überrascht, daß sie plötzlich auf und davon war. Er sagt, viele Möchtegern-Comedyspieler
ziehen von einem Ort zum anderen.«
    »Lisa McIntyre wollte Comedyspielerin
werden?«
    »Davon war er ausgegangen.«
    »Gut, bleib dran.«
    »Sicher. Sonst noch etwas?«
    »Im Augenblick nicht.« Ich sah auf das
schweigende Telefon, dann auf meine Uhr. Ein paar Minuten vor fünf. Als ich
vorher mit ihm gesprochen hatte, konnte Gurski noch nicht bestätigen, daß das,
was ich gefunden hatte, Tracys sterbliche Überreste waren. Er hatte mir
zugesagt, mich anzurufen, sobald er Bescheid wisse. Bei meinem Anruf bei George
hatte ich nur den Anrufbeantworter am Apparat gehabt. Warten Sie bis zum
Pfeifton, Mr. Soundso ruft zurück. Das und Türklingeln, die in leeren Wohnungen
läuten: Manchmal kam es mir so vor, als bestünden alle meine Tage nur daraus.
    Rae war auf dem Mittelblock des
Teppichmusters stehengeblieben und sah mich zögernd an. »Ja?« sagte ich — gereizter,
als beabsichtigt.
    »Ach, entschuldige !«
    »Komm, komm, sei nicht so empfindlich.«
    »Dann sei du nicht so miesepeterig.«
    »Tut mir leid. Worum geht es?«
    »Um Hank.«
    Jetzt hatte sie meine ungeteilte
Aufmerksamkeit. »Was ist passiert?«
    »Er hat letzte Nacht hier auf der Couch
geschlafen.«
    »Oje. Hast du Anne-Marie gesehen?«
    »Sie war nicht da.«
    Das hörte sich nicht gut an.
    Rae trat von einem Fuß auf den anderen
und sagte dann: »Ich dachte mir, vielleicht redest du mal mit ihm.«
    Ich dachte daran, wie brüsk mich Hank
am Silvesterband verabschiedet hatte, und schüttelte den Kopf.
    »Irgend jemand muß ihm doch helfen,
Sharon. Er sieht schrecklich aus. Und ich habe ihn gleich nach zwölf runter zum
Remedy gehen sehen. Er ist noch immer nicht zurück.«
    »Ach, um Gottes willen... In Ordnung.
Wenn ich nur hier herumsitze, erreiche ich doch nichts. Bleibst du jetzt eine
Weile hier?«
    »Ja.«
    »Gut. Wenn Detective Gurski oder George
Kostakos anruft, laß dir sagen, worum es geht und läute in der Bar an, ja?«
    Rae streckte mir den erhobenen Daumen
entgegen und verließ das Büro.
     
    Die Remedy Lounge war für mich der
Maßstab für das Erkennen verwandter Seelen in unser Kooperative. Die Bar gehört
zu den vielen Arbeiterkneipen an der Mission Street und entbehrt sämtlicher
charakteristischer Merkmale, es sei denn, man hält rissige Plastiknischen und
Resopaltische mit Rillen und Furchen, fliegendreckgesprenkelte Spiegel und
verdächtig trübe Gläser, kaputte Flipper und eine selten funktionierende
Jukebox für Symbole von Individualität. Was allerdings Freundschaften bei All
Souls anging, so blühten oder welkten sie je nach der Einstellung des
betreffenden Mitarbeiters zu dieser Bar.
    Hank liebte die Remedy Lounge. Er hatte
sogar das zweifelhafte Verdienst, sie entdeckt zu haben. Anne-Marie hat sie
gern heruntergemacht, aber bis zu dem Zeitpunkt, als Hank und sie die ersten
Probleme miteinander bekamen, konnte man sie fast immer auf dem nächsten
Barhocker antreffen. Auch Jack und ich haben dort unverhältnismäßig viel Zeit
zugebracht. Rae hatte es als eine besondere Ehre empfunden, als ich sie zum
erstenmal auf einen Drink dort unten eingeladen hatte. Sogar Ted — der an der
standhaften Heterosexualität der Klientel dort schier verzweifelte — kam
mehrmals wöchentlich vorbei und wurde, das war schöne Tradition in dieser
Gegend, von den Stammgästen toleriert. Laßt doch die anderen von All Souls
ihren feinen Tropfen zwischen den Farnwedeln ihrer mondänen Bars schlürfen,
haben wir oft genug verkündet. Wir wußten, wo man die gute alte Zeit
noch finden konnte!
    Nur waren die Zeiten in der Remedy
nicht mehr so gut. Schon eine ganze Weile

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