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Mord ohne Leiche

Mord ohne Leiche

Titel: Mord ohne Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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regelrecht empört bei dieser
Unterstellung. Emmons sagte: »Nein. Wir haben uns irgendwie erst nachher
gefunden. Obwohl wir auseinander waren, fehlte mir Tracy. Und Amy fehlte sie
auch. Da ist es eben passiert.«
    »Euch beiden hat Tracy gefehlt, aber
ihr habt nichts darüber verlauten lassen, was Amy im Cottage gefunden hatte.
Was wäre, wenn sie zu dem Zeitpunkt noch gelebt hätte? Vielleicht hättet ihr
sie retten können.«
    »Aber sie lebte nicht mehr«, sagte Amy.
»Das habe ich gespürt, als ich das Blut in dem Wagen sah.«
    »Großartig. Fast zwei Jahre lang haben
Sie seitdem zugeschaut, wie Marc den Liebeskranken spielte und der Welt
vormachte, er glaube nicht an ihren Tod. Und die ganze Zeit haben Sie ihre
Leiche dort liegen lassen — «
    Amy lehnte ihren Kopf an Emmons Oberarm
und fing an zu weinen. Zwischen zwei Schluchzern sagte sie: »Wir wußten nicht,
daß sie dort war. Und sie hat uns wirklich gefehlt. Fragen Sie, wen Sie wollen.
Sie hat uns gefehlt!«
    Emmons strich ihr das zersauste Haar
glatt. »Haben Sie sie noch nicht genug aufgeregt?« sagte er. »Wir brauchen
beide keine Belehrungen. Wir wissen, daß das, was wir getan haben, falsch war.«
    »Vielleicht stimmt das ja. Aber ganz
sicher haben Sie beide von ihrem Tod profitiert. Amy nutzt dieses ganze
Apartment für die halbe Miete, dazu all die Sachen von Tracy. Und Sie haben
Ihre Karriere auf ihrem Verschwinden aufgebaut.«
    Er stand so abrupt auf, daß Amy das
Gleichgewicht verlor. Sie klammerte sich an die Tischplatte und sah entsetzt
und mit Tränen in den Augen zu ihm auf.
    »Mir reicht es jetzt«, sagte er. »Hauen
Sie jetzt ab und lassen Sie uns allein.«
    »Das tue ich gleich, aber ich glaube,
Sie sollten damit rechnen, daß die Polizei sich bei Ihnen meldet. Wenn Sie
meinen, ich gehe grob mit Ihnen um, dann warten Sie, bis die Ihnen erzählen,
was eine Anklage wegen Behinderung der Justiz bedeutet.« Ich stand auf und
griff nach dem Buch über die neue Identität. »Haben Sie das in Tracys Zimmer
geschmuggelt«, sagte ich zu Marc Emmons, »oder lügt Amy, wenn sie sagt, wo sie
es gefunden hat?«
    Sein Gesicht bekam Zornesflecken. Ich
zog mich ins Wohnzimmer zurück. Er ging einen Schritt auf mich zu, und Amys
Jammern wurde lauter, ihr Atem schneller. Sie röchelte, als bekomme sie vor
Angst einen Anfall. Emmons sah mich an, drehte sich um und legte die Arme um
sie.
    Ich verließ das Apartment und kämpfte
mit meiner eigenen Wut. Ich war erleichtert, draußen zu sein und mir nicht
länger diese selbstgerechten Erklärungen anhören zu müssen, die doch nichts
anderes zeigten als schlichte Kaltblütigkeit.
     
     
     

13
     
    Am frühen Nachmittag desselben Tages
saßen Jack Stuart und ich auf einer Bank im Besuchertrakt von San Quentin. Wir
mußten über zwei Stunden warten, bis wir Bobby Foster sehen konnten. Mich
ärgerte diese lange Wartezeit, doch Jack trug sie mit stoischer Gelassenheit.
Anwälte seien es gewöhnt, lange zu warten, bis einer der unterteilten
Besuchsräume frei sei, sagte er. Zunächst hatten wir noch über den Fall
diskutiert, aber dann ging uns der Gesprächsstoff aus, und wir verfielen in
Schweigen. Jack schien mir heute etwas abwesend. Ich fragte mich, ob es damit
zu tun hatte, daß ich ihm am Silversterabend aus dem Wege gegangen war.
    Ungefähr um Viertel vor zwei kam eine
schlanke schwarze Frau in Jeans und dickem, türkisfarbenem Pullover herein. Sie
drehte den Kopf mit kurzem Afroschnitt nach allen Seiten, als suche sie
jemanden. Ihre schlichten goldenen Creolen-Ohrringe tanzten bei jeder Bewegung
mit. Jack stand auf und winkte ihr zu. »Das ist Leora Whitsun, Bobbys Mutter«,
sagte er. »Ich habe vorhin mit ihr gesprochen, und sie sagte, sie würde
herkommen.«
    Ich beobachtete, wie Leora Whitsun auf
uns zukam, und stellte fast mit einem gewissen Schock fest, daß sie nicht älter
war als ich — noch nicht ganz vierzig. Die Frau hatte sieben Kinder und drei
Ehemänner. Aus den Akten wußte ich, daß sie sich in Nachtarbeit durch zwei
Collegejahre gearbeitet hatte, im Rahmen der Nachbarschaftshilfe Wachdienste
organisierte und tagsüber in der Klinik arbeitete. Ich hatte eine viel ältere,
verhärmte Frau erwartet, und nicht dieses attraktive und vitale Wesen auf der
Höhe seines Lebens. Und gewiß hatte ich auch nicht erwartet, daß sie hier mit
einem Lächeln erschien.
    Jack stellte uns vor, und Leora Whitsun
setzte sich neben mich und nahm meine Hände in die ihren. »Ich kann Ihnen gar
nicht genug

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