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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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wurde der vorgelegte Entwurf des ersten Teiles der neuen Vorschriften für die Armenpflege, enthaltend die organisatorischen Bestimmungen der Gemeindearmenpflege, genehmigt und der Magistrat ermächtigt, den Tag der Wirksamkeit der neuen Vorschriften festzusetzen. Die neuen Vorschriften stellen sich hauptsächlich als eine übersichtliche und systematische Zusammenstellung der seit der letzten Auflage erschienenen zahlreichen Verordnungen und Weisungen dar und enthalten nur in einigen Punkten Änderungen oder Ergänzungen grundlegender Bestimmungen. Von den organisatorischen Neuerungen sind hervorzuheben: Die Armeninstitutsobmänner- und Sektionsobmännerkonferenzen, die Einführung des Instituts der Ersatzarmenräte, die eidliche Angelobung der Armenräte, die Einführung des Beschwerderechts der Armen, die Aufstellung des Grundsatzes, daß die Aufnahme in die geschlossene Armenpflege ohne Rücksicht auf das ärztliche Gutachten auch dann erfolgen kann, wenn der Arme selbst mit dem höchsten Erhaltungsbeitrage sich nicht zu erhalten vermag.«
     
    Aus »Die Gemeinde-Verwaltung der Stadt Wien im Jahre 1911. Bericht des Bürgermeisters Dr. Josef Neumayer« Wien 1912

I/2.
    ›Der Tod ist eine Begleiterscheinung des Lebens. So wie ein Schnupfen im Winter oder ein Insektenstich im Sommer…‹, philosophierte Joseph Maria Nechyba, als er die Stufen hinaufkeuchte. Und weil der Tod unabwendbar war und er ihn auch schon viel zu oft bei anderen miterlebt hatte, regte er sich nicht mehr auf. Diese Mauer des Nichts, gegen die man plötzlich rannte und an der man zerbrach, mit dieser Grenze, deren Erreichen Auslöschung bedeutete, hatte er in seinem Beruf leben gelernt. Deshalb brachte es ihn auch nicht mehr aus der Fassung, die Hinterbliebenen eines Mordopfers über das Ableben eines ihnen nahestehenden Menschen zu benachrichtigen. Für diese Anlässe hatte sich der Inspector einen inneren Panzer zugelegt, der keinerlei Gefühle oder Mitleid durchließ.
    »Es ist, wie es ist«, seufzte er und atmete tief durch, als er endlich die Wohnungstür erreicht hatte, auf der ›Direktor Hubendorfer‹ stand. Er läutete. Flinke Schritte näherten sich der Tür. Ein schwarz gekleidetes Dienstmädchen mit weißer Schürze und weißer Haube öffnete.
    »Der Herr wünschen…?«
    Nechyba zückte seine Polizeiagenten-Kokarde und schnaufte:
    »Ich möchte die gnädige Frau sprechen.«
    Das Dienstmädchen beäugte die Ausweisplakette it dem kaiserlichen Doppeladler ehrfurchtsvoll, knickste und ließ Nechyba eintreten. Dann bat sie ihn, zu warten, und verschwand am Ende des langen Vorzimmers hinter einer Tür. Kurze Zeit später kam sie wieder und führte ihn in den Salon, wo sie ihn mit einem Knicks alleine ließ. Eine Tür öffnete sich und die Dame des Hauses trat ein. Sie war eine große, elegante Erscheinung mit hochgestecktem, brünettem Haar. Zur Begrüßung streckte sie ihm ihre blasse Hand entgegen, auf die Nechyba formvollendet einen Handkuss hauchte. Forschend sah sie ihn an und ließ dabei ihre schmale, kühle Hand auf seiner Pranke verweilen:
    »Sie werden mir doch keine schlimmen Nachrichten bringen?«
    Nechyba seufzte und antwortete ohne Umschweife:
    »Doch, gnädige Frau, doch. Ich muss Ihnen die traurige Nachricht vom Tod Ihres Herrn Gemahl überbringen.«
    Ihre Hand krampfte sich in die seine. Einen Augenblick lang befürchtete er, dass sie ohnmächtig werden würde. Doch sie zog ihn stattdessen zu dem Diwan hin, wo sich beide niederließen. Noch immer hielt sie seine Hand. Mit der anderen bedeckte sie ihre Augen und er sah, wie darunter Tränen hervorquollen. Mit der freien Hand holte er ein sauber gebügeltes Stofftaschentuch aus der Tasche seines Sakkos. Er reichte es ihr und sie nahm es ohne zu zögern. Während sie ihre Tränen auf Wangen und Kinn trocknete, starrte sie ihn mit glasigem Blick an. Schließlich fragte sie mit tonloser Stimme:
    »Trinken Sie mit mir ein Stamperl Likör?«
    Ohne auf sein abwehrendes Gemurmel einzugehen, ließ sie nun seine Hand los, stand auf, ging zur Kommode, wo sich die Klingel befand und läutete nach dem Dienstmädchen. Auf ihre Anordnung hin brachte das Mädel auf einem Silbertablett eine geschliffene Glaskaraffe, in der eine dunkle Flüssigkeit träge hin und her wogte, sowie zwei schön geschliffene Likörgläser.
    »Marie, schenk dem Herrn Polizeiagenten das Glas mit Nusslikör voll. Mir bitte nur ein halbes Glas…«
    Als das Mädchen gegangen war, erhob sie das Glas, sah Nechyba

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