Mord und Brand
anzusehen.
XXIV.
Bloßfüßig saß er da. Ehrlicherweise musste man seine Adjustierung an diesem brütend heißen Juliabend als sehr leger bezeichnen. Sein Sakko hatte er abgelegt und das Hemd samt Kragen und Manschetten ebenfalls. Er saß im weißen Ruderleiberl 113 , mit zu Boden hängenden Hosenträgern und in einer schwarzen Hose da. Hosenbund und Hosenladen waren aufgeknöpft, sodass unter seinem gewaltigen Bauch etwas Luft in das an der Haut klebende Beinkleid gelangen konnte. Bedächtig schnitt er mit seinem Taschenmesser die vor ihm liegende Cabanossi 114 in kleine runde Stückerln, die er nacheinander in den Mund stopfte und genussvoll kaute. Hin und wieder biss er von einer Scheibe Brot ab und machte dazu einen Schluck aus dem Bierkrug. Der saftige Sauerteig des Brotes harmonierte aufs Angenehmste mit dem Paprikageschmack der Wurst. Nachdem er alles aufgegessen hatte, lehnte er sich vor Zufriedenheit seufzend in seinem Sessel zurück. Obwohl er große Lust auf eine Zigarre verspürte, war er zu faul aufzustehen und sich das Päckchen Virginier aus der Sakkoinnentasche zu holen. Mit glasigem Blick sinnierte er über sich und seine Arbeit. Als vor circa einer Stunde die Alarmmeldung vom Großbrand am Nordbahnhof eingetroffen war, hatte er sich zutiefst inkommodiert 115 gefühlt. Nein, er hatte keinerlei Lust gehabt, so wie früher an der Spitze seiner Leute auszurücken. Schließlich hatte er sich auf einen sommerlich ruhigen Nachtdienst gefreut… Nach einigen Augenblicken des Überlegens hatte er Pospischil befohlen, alle zur Verfügung stehenden Polizeiagenten zu sammeln und sich mit ihnen schleunigst zum Holzlagerplatz des Nordbahnhofs zu begeben. Er selbst hatte zum Telefon gegriffen und den interimistisch bestellten Zentralinspector Dr. Pamer sowie den Polizeipräsidenten Brzesowsky verständigt. Beide Herren, die bereits daheim bei ihren Familien weilten, hatten ihn gebeten, ein Polizeiautomobil vorbeizuschicken, denn sie sahen es als ihre Pflicht an, so schnell wie möglich am Unglücksort zu erscheinen. ›Wenn all die Großkopferten am Unglücksort auftauchen, dann kann der kleine Nechyba ruhig im Polizeigebäude bleiben und hier die Stellung halten‹, dachte er sich und rutschte im Sessel in eine fast liegende Position. Seine Augenlider wurden schwer und zufrieden lächelnd begab er sich in Morpheus’ Arme.
Klingeln. Enervierendes Klingeln. Nechyba tauchte aus einem wirren Traum auf. Gemeinsam mit Brzesowsky und Pamer waren sie von Flammenwänden eingeschlossen gewesen. Er und der Zentralinspector hatten den Polizeipräsidenten auf die Schultern genommen und dieser versuchte, auf seinen Untergebenen durch die Flammen zu reiten. Nechyba schwitzte. Er tastete nach seinem Taschentuch, doch auch das befand sich im Sakko, welches wiederum am Kleiderhaken hing. Dieses verdammte Telefon! Jahrzehntelang hatte er ohne dieses neumodische Zeug seinen Dienst versehen und es war ihm nichts abgegangen. Nun schien die ganze Welt sich nur mehr dieses Teufelsapparates zu bedienen, um Nachrichten zu übermitteln. Er gähnte und hob schließlich den Hörer ab.
»Nechyba, Gott sei Dank hebst ab!«, hörte er Luis Zotti sagen. »Ich hab’ schon befürchtet, dass du auch draußen bist und die Brandstelle am Nordbahnhof absperren hilfst…«
»Na, ich war nur kurz am Häusl 116 …«, log Nechyba. »Was gibt’s?«
»Ich bitt’ dich, komm rüber zu uns in die Polizei-Direction. Und zwar sofort. Da sitzt ein Kerl bei uns in der Wache, der behauptet, dass er den Brand am Nordbahnhof gelegt hat…«
»So ein Blödsinn! Das ist sicher irgendein B’soffener oder ein Einedrahrer 117 , der von dem Brand gehört hat und sich jetzt wichtig machen will.«
»Der is net b’soffen. Und wie ein Einedrahrer schaut der a net aus. Der is nüchtern, blass und zittert sogar a bisserl. Außerdem hat er eine Glasflasche dabei, die nach Petroleum riecht. Bitte, komm’ ume und verhör’ ihn. Bei uns im Haus sind alle bei der Absperrung des Großbrandes. Du bist der einzige höherrangige Polizist weit und breit. Außerdem möchte ich jemanden vom Polizeiagenteninstitut bei dem Verhör dabeihaben… Übrigens: Ich hab’ grad erfahren, dass unsere Leut’ das Militär zu Hilfe gerufen haben. 600 Mann Kavallerie und Infanterie rücken jetzt aus! Stell dir das vor… Mehrere Tausend Schaulustige sollen sich rund um das brennende Areal drängen. Also, sei so gut und komm’. Ich wart’ auf dich.«
Mit diesen Worten
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