Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Loibelsberger
Vom Netzwerk:
in die Augen und sagte:
    »Alkohol ist zwar kein Trost, aber er macht das Leben erträglicher.«
    Und wieder griff sie nach seiner Hand. Nechyba wurde die Situation allmählich unangenehm. Er rutschte auf dem Diwan ein Stück von ihr weg, holte tief Luft und goss den Nusslikör in einem großen Schluck hinunter. Angenehm brannte er in der Kehle, nicht ohne einen zartbitteren Geschmack auf Nechybas Gaumen zu hinterlassen. Ja, das liebte er! So ein monatelang angesetzter Nussschnaps, von Likör konnte aufgrund des beachtlichen Alkoholgehaltes keine Rede sein, war ganz nach seinem Gusto. Genussvoll schloss er die Augen und entspannte sich. Er ließ die Bitteraromen auf der Zunge wirken und atmete tief durch. Plötzlich hatte Nechyba das Bild von Martha Koslowski, seiner großen Jugendliebe, vor Augen. Wie verliebt er damals war… Als junger Polizist… Und wie konsequent Marthas Vater jegliches nähere Kennenlernen unterbunden hatte. Martha hatte damals eine ähnliche olfaktorische Aura gehabt, wie jetzt die Frau neben ihm. Als er die Augen öffnete, sah er, wie die Hausherrin ihrem Besucher und auch sich selbst ein zweites Stamperl einschenkte.
    »Das brauchen wir jetzt,« beschied sie mit resoluter Stimme. »Auf das Leben, Herr Inspector. Und darauf, dass es meinem verblichenen Gatten in seinem neuen Leben gut gehen möge…«
    Auch das zweite Stamperl tranken beide in einem Schluck hinunter. Kaum hatte sie ihr Glas abgestellt, begannen wieder die Tränen zu fließen. Sie hielt nun Nechybas Hand ganz fest, rückte ein Stück näher, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und weinte hemmungslos. Nun roch er es ganz stark: Martha Koslowskis Duft. Das Knistern des Seidenkleids. Die Wärme ihres Körpers. Nechyba wurde schwindlig. Nichts wie weg! Ihre Wange an seiner. Vorbei am Schnurrbart. Weiche Lippen. Ihre Hände überall. Streichelnd. Tastend. Fordernd. Nechyba versuchte aufzustehen. Doch sie krallte sich an ihn. Brachte ihn zu Fall. Fiel über ihn her.
     
    Benommen trat Nechyba aus dem Haus hinaus in die Zeismannsbrunngasse. Er atmete tief durch und konnte es nicht fassen: Gerade hatte er seine geliebte Aurelia mit einer anderen Frau betrogen. Bei dem Gedanken wurden ihm die Knie weich und vor Schuldgefühl und Reue rannen ihm Tränen über die Wangen. Sein Schnurrbart stand zerzaust in verschiedene Richtungen. Der stattliche Herr Inspector bot ein Bild des Jammers. Er hielt sich an einer Hausmauer fest und weinte. Hemmungslos. So wie er es seit den Tagen seiner Kindheit nicht mehr getan hatte. Als er sich endlich gefangen und sich mit dem Taschentuch die Tränen weggewischt hatte, roch er Martha Koslowskis Duft an dem Tuch. Angewidert knüllte er es zusammen, schnäuzte sich noch einmal kräftig hinein und stopfte es dann durch das nächste Kanalgitter. Mit der Schuhspitze stocherte er zwischen den Gitterstäben so lange hin und her, bis das Tuch in der Finsternis des Kanalschachts verschwunden war. Es war eines der Taschentücher, die ihm die ›Antschi-Tant‹ seinerzeit zur Firmung geschenkt hatte. Ein halbes Leben lang war er sorgsam mit den sechs Taschentüchern, die sein Monogramm trugen, umgegangen. Und jetzt, an diesem vermaledeiten Unglückstag, hatte er eines dieser wertvollen Andenken an die vor zwei Jahren verstorbene ›Antschi-Tant‹ geopfert.
     
    Wütend über sich und das, was er gerade getan hatte, stapfte er die 2er Linie entlang zum Schottentor. Er schwitzte vor Aufregung. Außerdem schien die Sonne unbarmherzig auf die nachmittäglich träge Stadt. Der Nussschnaps brannte in seinem Magen und seine Zunge war rau und aufgequollen wie der Ausreibfetzen, mit dem die Putzfrau jeden Montag den Boden seines Büros aufwischte. Er musste was trinken. Und da kam ihm die schmale, mit Holz verkleidete Wachauer Weinstube in der Universitätsstraße gerade recht. Er trat in die rauchgeschwängerte Atmosphäre des Lokals und bestellte sich einen G’spritzten. Kurze Zeit später dann noch einen. Er zündete sich eine Virginier an und sog den Rauch der Zigarre tief in die Lunge ein; eine Sünde, die er sonst niemals beging. Aber heute musste er sich ausräuchern. Räuchernd den Mund reinigen, in den sie ihre freche Zunge gesteckt hatte. Ausbrennen. Ihren Geschmack und ihren Geruch tilgen. »Jössasmarandjosef 119 !«, murmelte er und überlegte, wie er den Geruch ihres Parfums und ihres Puders loswerden könnte. Diskret roch er an der Stelle, wo sie ihren Kopf angelehnt hatte und erschauerte. So konnte er

Weitere Kostenlose Bücher