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Mord und Mandelbaiser

Mord und Mandelbaiser

Titel: Mord und Mandelbaiser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Mehler
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die Arme ließen sich beugen, sodass sie die Hände bis auf Brusthöhe schieben konnte. Mit aller Kraft presste sie gegen die Umhüllung.
    Sie musste etliche Male neu ansetzen, bis sich eines der Klebebänder mit einem Schmatzen löste. Das brachte ihr genug Bewegungsfreiheit, um weitere zu lockern und sich letztendlich von der Verpackung, die intensiv nach Getriebeöl stank, zu befreien.
    Thekla atmete durch, sah sich um und dachte verdutzt: Wenn diese Decke nicht hier liegen würde, könnte man meinen, ich hätte halluziniert. Denn nichts sonst weist darauf hin, dass mich jemand niedergeschlagen und wie zum Transport verschnürt hat. Als sie den Rand des rauen Stoffs hochhob, um ihn zusammenzurollen, weil sie ihn als Beweisstück mitnehmen wollte, sah sie den Zettel. Er war gut festgeklebt und mit Großbuchstaben beschrieben: »Hör auf zu schnüffeln, sonst erstickst du beim nächsten Mal.«
    Diesmal begann Thekla tatsächlich zu hyperventilieren. Sie beugte sich vornüber, stützte sich mit beiden Händen auf einen waagrecht wachsenden Ast und keuchte, wobei sie versuchte, die Lippen zusammenzupressen, um nicht zu viel frische Luft einzuatmen.
    Nach einiger Zeit normalisierte sich die Atemfrequenz. Thekla raffte die Decke zusammen, machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen, stieg ein, verriegelte die Türen und fuhr los. Zu Hause angekommen, wäre sie am liebsten sofort in die Apotheke gestürmt, um ihrem Bruder alles zu berichten. Das ließ sie allerdings bleiben, als sie durchs Schaufenster erkennen musste, wie die Kundschaft Schlange stand. Sie würde bis Geschäftsschluss warten müssen.
    Als sie in die Zufahrt zum Wohnhaus einbog, fragte sie sich, wie Martin auf ihre Schilderung sämtlicher Ereignisse wohl reagieren würde.
    Du wirst auf der Stelle zur Polizei gehen, glaubte sie ihn anordnen zu hören.
    Thekla nickte. Ja, Martin würde darauf bestehen, vor allem nach dem, was ihr eben widerfahren war.
    Eine Aussage bei der Polizei stand jedoch in krassem Widerspruch zu der Abmachung, die sie mit Hilde und Wally getroffen hatte.
    Thekla schlug die Faust aufs Lenkrad. »Herrgott noch mal, gibt es denn überhaupt einen gangbaren Weg in diesem Wirrwarr?«
    Noch nie hatte sie vor ihrem Bruder etwas geheim halten müssen, von klein auf waren die Geschwister verbündet gewesen. Anfangs gegen die Strenge der Eltern, später gegen die Widrigkeiten, die das Leben auf dem Dorf mit sich brachte, wenn man geschieden war und neu Fuß fassen wollte.
    Sie stieg aus und warf einen Blick auf die andere Straßenseite, wo die Stein’sche Apotheke dem Stein’schen Wohnhaus direkt gegenüberstand. Soeben trat ein weiterer Kunde ein, der mit seinem Rezept wedelte, als wäre es ein Fähnchen.
    Thekla starrte ihn an. Sapperlot, wie hatte sie das bloß vergessen können? Dass sie sich nicht erinnern konnte, irgendjemandem Luminal verkauft zu haben, hieß ja nicht automatisch, dass auch niemand danach verlangt hatte. Sie hatte Wally aufgetragen, die Straubinger Apotheken abzuklappern, und versäumt, in den eigenen Unterlagen nachzusehen. Das würde sie bei nächster Gelegenheit nachholen.

Derselbe Tag
    Etwas später im Bestattungsinstitut Westhöll
    »Vielleicht solltest du mal schlafen«, sagte Hilde.
    Rudolf sah sie aus rot geränderten Augen trübselig an. Statt eine Antwort zu geben, griff er nach seiner Kaffeetasse.
    In der vergangenen halben Stunde hatte sie in ihrem Büro nebenan mindestens viermal das Mahlen und Klacken seiner Espressomaschine gehört.
    »Herrschaftszeiten«, regte sie sich auf, »meinst du, irgendwem ist geholfen, wenn dir ein viel zu hoher Blutdruck den Herzmuskel kaputt macht?«
    »Was soll ich denn tun?«, erwiderte Rudolf matt. »Wir hatten diese Woche drei Beerdigungen, drei Überführungen und eine Exhumierung.«
    Als ob ich das nicht wüsste, dachte Hilde. Laut sagte sie: »Wo treibt sich eigentlich der Pfeffer herum?«
    Rudolf lachte freudlos. »Er musste schleunigst nach Hause – duschen und was Frisches anziehen.«
    Hilde schaute ihn so perplex an, als hätte er verkündet, Pfeffer ließe sich Strähnchen in die Haare färben und künstliche Fingernägel aufstecken.
    Nachdem Hilde ihn eine Weile fixiert hatte, wurde Rudolf offenbar klar, dass er ohne weitere Erklärung nicht davonkommen würde.
    Leise seufzend sagte er: »Du weißt ja selbst, wie das Grundwasser in den Granzbacher Friedhof hineindrückt, woran nebenbei bemerkt die Kiesgrube dahinter schuld ist. Und du weißt sicherlich auch, dass

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