Mord und Mandelbaiser
nebenan.« Sie lachte, als Thekla einen irritierten Blick auf die Schubkarre und den Mann in Latzhose warf, der stehen geblieben war und zuhörte. »Karl und ich kümmern uns hier um alles.«
Als wäre das ein Startsignal gewesen, packte Karl die Schubkarre und rollte sie durchs Gatter auf eine kleine Mulde am Moosbachufer zu, in die er das Erdreich offenbar kippen wollte.
»Seit ich hier entlanglaufe, habe ich keinen einzigen Verbindungsweg zur Straße entdeckt«, sagte Thekla.
Elisabeth lehnte sich ans Gatter. »Den gibt es auch nicht. An der Straßenseite ist alles zugebaut.«
»Und wie kommen die Anwohner in ihre Gärten?«, fragte Thekla.
»Wir benutzen unsere Garagen als Durchgang«, erwiderte Elisabeth. »Die haben vorne und hinten ein Tor.« Sie wandte sich dem Garten zu und zeigte auf eine Baumgruppe, hinter der man die Einfahrt in eine Garage erkennen konnte.
Thekla musterte die Laubkronen. »Birnbäume?«
Elisabeth nickte. »Haben wir nicht neulich von ihnen gesprochen, besser gesagt von ihren Früchten?«
Fein, dachte Thekla, da bewegen wir uns ja schnurstracks aufs richtige Thema zu.
»Dann ist das ja der Meiler-Garten«, sagte sie, als käme sie erst jetzt auf diesen Gedanken. »Und Sie und Ihr Mann haben die Pflege übernommen.«
Elisabeth nickte und schien einen Moment unsicher, ob sie es dabei belassen sollte. Doch dann entschied sie sich, die Sache näher zu erläutern: »Meilers Halbbruder hat uns einen Brief geschrieben, in dem er fragte, ob Karl Lust auf einen kleinen Nebenjob hätte.« Ein wenig beschämt fuhr sie fort: »Wir haben sofort zugegriffen. Die Firma, zu der Karl gewechselt war, hat vor ein paar Wochen Konkurs angemeldet. Da kann man nicht wählerisch sein, wenn einem bezahlte Arbeit angeboten wird.«
»Und dieser Halbbruder übernimmt es, Ihren Mann zu entlohnen?«, fragte Thekla überrascht.
»Wohl kaum«, antwortete Elisabeth. »Ich nehme an, dass er in Meilers Namen handelt, der es sich leisten kann, einen Gärtner anzustellen. Er besitzt zwei Eigentumswohnungen in Straubing, die ihm ein nettes Sümmchen an Mieteinnahmen verschaffen. Und wenn der Birnensaft erst einmal abgefüllt ist, bringt er ja auch was ein.«
»Wird denn Ihr Mann nach der Ernte auch den Saft herstellen?«, fragte Thekla.
Elisabeth nickte. »Karl hat den Meilers früher schon manchmal geholfen, wenn die Birnen zu faulen drohten, Meiler aber nicht den ganzen Tag im Mostkeller zubringen konnte.«
»Mostkeller«, wiederholte Thekla, »das hört sich ja geradezu professionell an.«
»Ist es auch«, antwortete Elisabeth. »Die Gerätschaften zum Birnenentsaften hat Meiler immer eins a in Schuss gehalten.«
Diesen professionellen Keller würde ich mir liebend gern ansehen, dachte Thekla.
Während sie noch überlegte, wie das zu bewerkstelligen wäre, sagte Elisabeth: »Wenn Sie möchten, können Sie ein Blick hineinwerfen, Frau Stein. Ich wollte sowieso gerade ins Haus gehen, um die Fenster wieder zu schließen. Die Wohnung muss ja regelmäßig durchgelüftet werden, und dem Keller tut es auch gut.«
»Warum nicht«, antwortete Thekla so gleichgültig es ihr möglich war.
Als sie Elisabeth durch die Verandatür ins Haus folgte, fragte sie: »Wieso vermietet Meiler das Anwesen nicht? Es wird doch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern, bis er aus dem Gefängnis entlassen wird.«
Elisabeth zuckte die Schultern. »Vielleicht versucht er ja, einen Mieter zu finden, vielleicht denkt er daran, den Besitz seinem Halbbruder zu überschreiben – wer weiß?«
Elisabeth lief eine steile Treppe hinunter und öffnete die Tür zu einem großen gekachelten Raum. Ebenso wie die Fliesen, die den Boden und die Wände bedeckten, glänzten auch die Gerätschaften, die sich darin befanden, vor Sauberkeit. Thekla ließ den Blick über zwei Apparate schweifen, in denen die Birnen offenbar unter Dampf erhitzt wurden, bis der Saft durch einen Schlauch abgezapft werden konnte.
An der Schmalseite des Raumes war ein Spülbecken eingebaut, von dem eine stählerne Arbeitsplatte bis zu einer Ecke führte, in der leere Flaschenträger aufgestapelt waren.
Thekla spürte ein Gefühl der Enttäuschung in sich aufsteigen und fragte sich, was sie eigentlich erwartet hatte. Eine Giftküche? Ein illegales Chemielabor?
»Nicht gerade aufregend, oder?«, sagte Elisabeth lächelnd, schloss die Oberlichte und verließ den Raum.
Thekla folgte ihr. »Es gibt ja nirgends volle Saftflaschen.«
»Die sind längst weg«, sagte
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