Mord unter Freunden - Ernestam, M: Mord unter Freunden - Kleopatras Kamm
gewesen. Anna hatte geschrieben, sie würde ihr Geld erst einmal auf dem Konto lassen und darüber nachdenken, was sie damit machen wolle. Sie sei sich aber ganz sicher, dass Fredrik gewollt hätte, dass sie, Mari, mit ihrem Anteil glücklich werde.
Mari hatte darüber nachgedacht, was Anna geschrieben hatte. Am Tag darauf nahm sie die Fähre nach Inishbofin. Niemand
bemerkte sie und die Tasche, die sie über der Schulter trug. Niemand reagierte, als sie sie über Bord warf. Über die Reling gebeugt sah sie zu, wie sie sich im Kielwasser einige Mal um sich selbst drehte. Dann sank sie, und sie sah sie nicht mehr. Das Gewehr, mit dem Fredriks Kaninchen erschossen worden waren, würde für immer auf dem Grund des Meeres liegen, dort würden diese rostigen Leichenteile vielleicht so allmählich von widerstandsfähigen Algen oder Muscheln bedeckt. Aus Tod konnte wieder Leben entstehen. Das war ein schöner Gedanke, der sie tröstete, als sie später auf den Pfaden von Inishbofin herumstreunte und Tee im Hotel trank, um das Gefühl der Unausweichlichkeit aller Dinge hinunterzuspülen.
Am Tag darauf rief sie die Handwerker an und begann mit der Renovierung. Einer von ihnen sagte, sie würde ihn an eine Schwedin erinnern, die vor einigen Jahren in Clifden gearbeitet hätte. »Aber die war blond und nicht rothaarig wie Sie.«
Mari strich sich über das rote Haar, das ihr inzwischen ein gutes Stück über die Schultern reichte. Durch das Fenster sah sie, dass die See sich beruhigte. Dass es schon bald wieder Herbst wurde und mit der Kälte Ruhe im Lokal einkehrte! Aber keine Kälte würde ewig dauern. Obwohl Fredrik fort war und Tod »nie mehr« bedeutete.
Plötzlich dachte sie an die Blutung, die sie in der Klinik gehabt hatte, nachdem David versucht hatte, sie am Renvyle Point vom Kliff zu stoßen. War sie damals schwanger gewesen? Sie hatte es geglaubt. Jetzt wurde ihr bewusst, dass sie das gar nicht wissen konnte. Aber sie könnte wieder schwanger werden. Von einem ehrlichen Mann. Sie dachte an Davids letzten Brief, in dem er sie angefleht, ihr seine Liebe beteuert und sie um Vergebung gebeten hatte. Vielleicht würde sie ihn immer lieben.
Aber mit Lukas Karlsten könnte sie glücklich werden. Lukas Karlsten, der ihr mit seinen Worten einen Schimmer von
Vergebung gewährt hatte. Er hatte ihr die Hoffnung vermittelt, mit ihrer Tat zumindest einige Menschen glücklich gemacht zu haben. Er hatte ihr die Hoffnung geschenkt, dass ihr Fredrik irgendwann einmal würde verzeihen können. Wenn nicht in dieser Welt, dann in der nächsten.
Sie ahnte in diesem Augenblick, dass sie es Anna würde erzählen müssen. Sie war Weihnachten nicht zu Anna gefahren. Aber vielleicht würde sie sie bald, in ein paar Wochen, besuchen. Sie würden dann gemeinsam weiterleben, wenn auch in verschiedenen Ländern. Gemeinsam würden sie dann entscheiden, ob Jo und Stella den Firmennamen Kleopatras Kamm verwenden durften. Für ihre Zwecke, über die sie lieber nicht nachdenken wollte.
Die Sonne funkelte auf dem Wasser in einem unendlichen Weg zum Horizont. In sich hörte sie Fredriks Stimme. Etwas, was er in Rom gesagt hatte, als sie sich über die Gladiatoren unterhalten hatten. Genieße das Gute, solange es währt, denn die Gefahr, sich von der Brutalität niederschmettern zu lassen, ist ebenso ewig wie das Kolosseum. Sie sah ein, dass sie naiv gewesen war. David aus ihrem Bewusstsein zu verbannen würde Jahre dauern, nicht Monate. Falls es überhaupt gelang und auch wenn Lukas Karlsten zu Besuch kam.
David hatte sich ziemlich schnell aus dem Staub gemacht. Nur wenige Wochen nach ihrer Auseinandersetzung war in der Zeitung zu lesen, dass David Connolly nach Boston umziehen würde, um den amerikanischen Markt zu erobern. Wenig später hatte sie einen Brief von ihm erhalten, seine neue Adresse und die Bitte, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Seither schrieb er ununterbrochen. Berichtete von seinen Erfolgen und von seiner Einsamkeit, von der Trennung von seiner Verlobten und von der Schöpferfreude, die auf die Melancholie gefolgt war. Er sehne sich nach ihr. In jedem Brief beteuerte er, dass er den Rest seines Lebens sühnen wolle, was er getan habe, wenn sie ihm nur antworten und ihn irgendwann
wieder treffen würde. Er wage nicht, um mehr zu bitten, schrieb er, aber er würde sie immer lieben. Die Bilder seiner neuen Kunstwerke bestätigten teilweise, was er geschrieben hatte. Der alte David war wieder zurück, zumindest in seinen
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