Mord Unter Segeln
ihre eigenen vier Wände behalten zu können.
»Super.« Erleichtert beendete Oda das Gespräch und lief mit neuem Elan die letzten Stufen hoch. Wider Erwarten war die Wohnungstür nicht abgeschlossen. »Alex? Bist du da?«
Wahrscheinlich war ihr Sohn mit seinen Gedanken mal wieder ganz woanders gewesen und hatte vergessen abzuschließen. Oft schon hatte sich Oda darüber geärgert, aber in diesem Haus war das nicht weiter wild. Hier passierte nichts, man musste ja schon für die Haustür den Schlüssel benutzen. Wie das wohl in der neuen Wohnung war? Automatisch zog sie die Schuhe aus und stellte sie auf das kleine Holzregal neben der Wohnungstür.
»Klar. Hab gleich alles zusammengepackt.«
Mit einem Ruck flog Odas Kopf herum. Was war das denn?
»Wie? Du bist tatsächlich zu Haus?«
»Ich musste doch packen. Ist ja nicht mehr lang. Übrigens, Jürgen war hier. Hat mir alles erzählt. Musst nicht sauer auf ihn sein.« Alex kam aus seinem Zimmer. »Soll ich dir 'nen Tee machen?«
»Ja. Kamille, bitte.«
»Kamille?« Entsetzt sah er sie an.
»Ich brauch was zur Beruhigung.«
»Schon klar. Also Kamille.« Alex grinste und ging vor in die Küche.
Zehn Minuten später saßen sie gemeinsam am Tisch.
»Schieß los, wie war dein Tag?«, fragte Alex.
»Hey, das ist mein Text!«, sagte Oda überrascht.
»Ich weiß, aber ich hab den Eindruck, heut sollte ich das mal fragen. Ist ganz schön viel, das alles, oder?« Alex kannte Oda genau.
»Ja. Ist viel. Aber ich bin jetzt nicht wichtig. Du bist dran. Was wollte Jürgen?«
»Och Mama, nun tu doch nicht so. Das weißt du ganz genau. Er hat mir das mit seiner Tochter gesagt. Dass die ihn ausfindig gemacht hat und jetzt bei ihm leben möchte. Und dass er total überfahren von allem ist.«
»Hat er dir auch erzählt, wie ich reagiert hab?«
»Er hat gesagt, du seist ziemlich angefasst gewesen.«
»Was noch untertrieben ist. Einerseits bin ich stocksauer und andererseits total enttäuscht. Er hätte es mir eher sagen müssen. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als wir angefangen haben, darüber zu reden, dass wir zusammenziehen. Das hat was mit Ehrlichkeit zu tun. Was hat er mir denn wohl sonst noch verschwiegen?« Oda merkte, wie ihr Blut in Wallung geriet. Was für eine Unverschämtheit. Erst rückte Jürgen kurz vor knack mit der Wahrheit raus und holte sich dann noch Unterstützung bei ihrem Sohn?
»Mama. Fahr wieder runter. Jürgen hat mir alles erklärt. Nun stell dich doch nicht so an. Der liebt dich wie verrückt.«
»Der liebt mich? Nee, mein Lieber, damit bin ich noch nicht durch. Ich hab grad mit unserer Vermieterin gesprochen. Wir können noch weiter hier wohnen. Brauchst dich also nicht zu beeilen mit dem Packen. Ob wir am Samstag tatsächlich umziehen, das steht noch in den Sternen.«
***
Der Schrank roch immer noch so wie früher. Sogar das komische Papier, mit dem ihre Oma die Regalböden ausgelegt hatte, schien dasselbe zu sein, was natürlich nicht angehen konnte. So ein Papier hielt bestimmt keine siebzehn oder achtzehn Jahre. Simone war hier gewesen, als Omi einfach so gestorben, einfach so morgens nicht mehr aufgewacht war; und als sei es das Selbstverständlichste der Welt, hatte Simone die Pension weitergeführt. Für einen Moment stutzte Ilka. Warum kam ihr erst jetzt in den Sinn, dass Omis Tod für Simone gerade zur rechten Zeit gekommen war? Damals war Simone hochschwanger und noch nicht mit Peter verheiratet gewesen. Ihren Job als Flugbegleiterin hatte sie wegen der Schwangerschaft aufgeben müssen, sie hätte zwar für einige Monate zum Bodenpersonal gehen können, aber das hatte Simone nicht gewollt. Und statt nach Haus zu den Eltern war sie zur Oma nach Langeoog gefahren, um sich auf die Geburt vorzubereiten.
Ilka hievte ihren Koffer aufs Bett. Jetzt war wieder ein Mitglied ihrer Familie tot, wieder war die Pension verwaist, und Sophie war zu jung, aber auch zu krank, um in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten.
Lag ein Fluch auf ihrer Familie? Oder auf der Pension? Ilka setzte sich aufs Bett. Die Bettwäsche war neu. Kleines Rosenmuster auf weißem Grund. Das kannte sie, das war von Ikea. Sicher hatte Simone die Wäsche gekauft, aus Omis Zeiten war sie garantiert nicht. Ihre Großmutter hatte immer weiße Bettwäsche benutzt. Die konnte man auskochen, und hinterher wurde sie durch die Mangel gezogen, die im Keller stand. Als Kind hatte Ilka ihr oft dabei zugesehen. Ob es die Mangel immer noch gab? Sie würde nachsehen. Im Keller
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