Mord Unter Segeln
»Dann komm mit in die Küche, ich hab zu tun.« Als wäre alles vertraut, als sei es ganz normal. Ohne ihn weiter zu beachten, ging sie vor, ließ heißes Wasser in die Spüle laufen, gab Spülmittel dazu und begann, das Teegeschirr abzuwaschen.
Peter blieb im Türrahmen stehen.
»Was gibt's denn?«, fragte Ilka. Akribisch, so kam es Peter vor, wusch sie Tasse für Tasse ab, als wären es Berge, die zu spülen waren.
»Ich hab Briefe gefunden.«
»Briefe.« Sie beugte sich immer noch über das Becken.
»Liebesbriefe. Simone hat sie in dem Karton mit Sophies Babywäsche aufbewahrt.« Er sah, dass Ilka in ihren Bewegungen innehielt. »Sie waren an ›Krabbe‹ adressiert und unterschrieben von ›Krebs‹. Ich habe Simone nie so genannt.«
»Es sind vielleicht Briefe aus der Zeit, bevor sie mit dir zusammen war.« Ilkas griff nach der nächsten Tasse. Sie würdigte ihn noch immer keines Blickes. Verbitterung lag in Peters Stimme, als er nun weitersprach.
»Nein. Aus den Briefen geht ganz klar hervor, dass dieser ›Krebs‹ von Simones Schwangerschaft wusste. Er bedauerte, nicht zu seinem Kind stehen zu können, aber es sei nun mal alles schwierig.« Peter stieß sich vom Türrahmen ab, trat zu llka und fasste sie hart am Oberarm. »Hast du das gewusst?« Er riss sie zu sich herum. »Hast du von Anfang an gewusst, dass das Kind nicht von mir war?« Er merkte, dass er zu schreien begann, und riss sich zusammen. »Hast du das gewusst?«
»Nein«, flüsterte llka. »Ich habe es nicht gewusst. Simone hat mir damals erzählt, dass du der Vater ihres ungeboren Kindes bist.«
»Mein Gott, Ilka.« Peter ließ ihren Arm los und fiel schwer auf einen der Küchenstühle. »Mein Gott. Wenn ich das gewusst hätte.« Er fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Deine Schwester hat mich zum Hampelmann gemacht. In voller Absicht.« Er blickte zu Ilka auf. Wie erstarrt stand sie vor ihm. Flehend sah er sie an. »Wenn ich das gewusst hätte, dann wäre alles anders gekommen.«
Bevor sie antworten konnte, klingelte es an der Tür.
***
Wieder öffnete Ilka Friedrichsen. Die Frau schien einen Sinn für die Gedanken anderer zu haben und sagte, bevor Christine überhaupt den Mund aufmachen konnte: »Meinem Schwager geht es nicht gut. Er hat sich hingelegt.« Christine trat ein.
»Das passt gut, ich wollte mich sowieso noch einmal mit Ihnen allein unterhalten«, sagte sie, nachdem Ilka Friedrichsen sie durch die Küche auf die Terrasse geleitet hatte, die im frühen Abendlicht Geborgenheit und Wärme ausstrahlte.
»Setzen Sie sich. Kann ich Ihnen etwas anbieten?« Es musste wohl ein Automatismus sein, der die Friedrichsen ständig diese Sätze sagen ließ.
»Danke, nein. Ich würde mich gern über die Telefonate unterhalten, die Sie in den letzten Monaten täglich, oft auch mehrmals täglich mit ihrer Schwester geführt haben.«
»Telefonate.« Ilka Friedrichsen spielte versonnen mit ihrer Zunge an den Zahnreihen auf der linken Seite, während sie offensichtlich überlegte, wie sie reagieren sollte. Als Schauspielerin hätte sie höchstens für eine der sogenannten Reality-Shows im Nachmittagsprogramm der Privatsender getaugt.
»Frau Friedrichsen, es geht um sehr viel mehr als den einfachen Tod eines Menschen. Ihre Schwester wurde brutal ermordet.« Bewusst wählte Christine die drastischen Worte. »Ich kann Ihnen die Aufnahmen zeigen, die wir an Bord des Schiffes gemacht haben, dann können Sie die überaus zahlreichen Wunden sehen, die ihrer Schwester beigebracht wurden.«
»Bitte, Frau Cordes …«
»Nein. Ich habe weder Lust noch Zeit für Spielereien. Ihre Schwester hat Sie in den letzten Monaten vermehrt angerufen. Wäre sie nicht Ihre Schwester, würden wir anhand der Anzahl der Anrufe an Stalking beziehungsweise an Telefonterror denken. Darum müssen wir wissen, weshalb sie, scheinbar aus dem Nichts heraus, von heute auf morgen diesen intensiven Kontakt zu Ihnen gesucht hat. Ging es in Simones Anrufen um einen anderen Mann? Suchte sie Ihren Rat?«
»Wie kommen Sie darauf?« Ilka Friedrichsens Stimme klang verhalten, aber doch ansatzweise so, als wäre sie bereit, sich zu öffnen. Christine legte nach.
»Wir haben verschiedene DNA-Spuren im Schlafzimmer Ihrer Schwester gefunden. Darunter auch welche, die weder Frau Gerjets noch ihrem Mann zuzuordnen waren.« Auf Ilka Friedrichsens Gesicht zeigte sich keine Regung.
»Das versteh ich nicht.«
»Frau Friedrichsen, nun stellen Sie sich doch nicht dümmer, als
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