Mord Unter Segeln
»Ist das so verwunderlich? Ich steck bis über den Hals privat und beruflich in Verwicklungen, da brauch ich jetzt einfach mal 'ne nette Ansage, bevor ich nach Hause komme.«
»Weißt du, Mama, ab und zu bist du echt zu süß.« Alex' Lachen schwappte zu ihr rüber. »Hier ist alles okay, und wenn du deinen Cappu auf hast und zurück bist, erzähl ich dir alles.«
»Wie kommst du darauf, dass ich gerade einen Cappuccino trinke?«
»Mama! Ich bin der Sohn einer Kommissarin. Und ich hab gute Ohren. Also höre ich, dass du irgendwo draußen bist und Autos an dir vorbeifahren. Und weil du den Cappu im ›Venezia‹ so gern trinkst, hab ich halt eins und eins zusammengezählt. Ich lieg doch richtig, oder?«
»Ja.« Oda lachte auf. »Du kennst mich wirklich gut.«
»Ich kenn dich am besten von allen.«
Es gab Momente, da könnte Oda ihren oft auch schwierigen Sohn vor Liebe erdrücken. Dieser zählte dazu.
Zwanzig Minuten später saßen sie gemeinsam in der Küche. Alex genoss es sichtlich, von der Begegnung mit Laura und dem vorangegangenen Gespräch mit Jürgen zu berichten. Während er erzählte, entspannte sich Oda. Sie ertappte sich bei dem Gefühl, unheimlich stolz auf ihren Sohn zu sein, der mit dieser für Jürgen und sie schwierigen Situation so einfach umgehen konnte.
»Und nun?«, fragte sie, als Alex berichtet hatte, dass er Laura und Jürgen in das Umzugschaos von Jürgens Wohnung begleitet hatte. »Was habt ihr geplant? Wie soll es morgen gehen? Du hilfst Jürgen doch beim Umzug?«
»Klar. Ich bin gleich um halb neun bei ihm.«
»Und Jürgens Tochter? Wie ist die so?« Oda kam sich ausgegrenzt vor. Hier passierte ihr wahres Leben, und sie musste in Dingen wühlen, die fremde Menschen betrafen. Es kam nicht oft vor, dass Oda ihren Beruf nicht mochte, heute aber hätte sie ihn liebend gern gegen einen Acht-Stunden-Tag an der Kasse eines Supermarktes eingetauscht.
»Och, Laura ist ganz nett. Die musste nur erst mal ihren Ego-Dampf ablassen, danach war sie okay. Du wirst sie eh gleich kennenlernen. Sie ist in meinem Zimmer. Bei Jürgen ist ja zwischen den ganzen Umzugskartons kein Platz, und da hab ich gesagt, sie kann bei uns schlafen.«
***
Die »Henriette« dümpelte fest vertäut im seichten Hafenwasser. Der Tee glitt wärmend Christines Speiseröhre hinunter, und wäre sie eine Katze, sie hätte in diesem Augenblick voller Behaglichkeit geschnurrt. Doch das gehörte sich nicht, vor allem nicht an Bord des Schiffes eines Kollegen beziehungsweise eigentlich sogar Vorgesetzten, der rein zufällig auch auf Langeoog war, wusste, dass sie hier ermittelte, und sie aus kollegialer Verbundenheit heraus eingeladen hatte. So jedenfalls redete sie es sich ein. Ein unverfängliches Zusammensitzen, alles völlig harmlos. Gut, es hatte innerhalb des letzten Dreivierteljahres einige dieser unverfänglichen Treffen gegeben. Carsten hatte allerdings in der letzten Zeit vermehrt auch Berufliches als Anlass für Treffen zu zweit genommen. Immer hatte sie sich eingeredet, dass das Kribbeln in ihrem Bauch überhaupt nichts damit zu tun hatte, dass sie seinen Terminvorschlägen so gerne zustimmte. Nein, das hatte gar nichts damit zu tun.
Dennoch konnte Christine ein wohliges Ausatmen nicht unterdrücken. Alles an Bord war so heimelig, sie musste aufpassen, dass sie sich in seiner Gegenwart nicht zu wohl fühlte, denn immerhin lebte er mit seiner Frau noch unter einem Dach, auch wenn er erklärt hatte, er würde in der Einliegerwohnung im Obergeschoss seines Hauses wohnen, damit es nach außen hin so aussah, als sei das Familienleben noch intakt, und damit seine Kinder nicht so unter der räumlichen Trennung litten.
Carsten, der ihr gegenübersaß, schmunzelte. »War's heut so anstrengend?«
Sie hatte ihn angerufen, nachdem sie bei Ilka Friedrichsen fertig gewesen war, und gefragt, ob sein Angebot auf einen Tee noch bestehe.
»Hör mal, ich bin extra rübergesegelt, um dir den Feierabend mit total verzuckertem Tee zu versüßen, also komm schnell her«, hatte er geantwortet und den ohnehin schon in ihrem Bauch fliegenden Schmetterlingen noch ein halbes Dutzend hinzugefügt. Ja, sie merkte deutlich, dass er aus dem freundschaftlichen Umgang mehr machen wollte. Und irgendwo in ihrem Inneren wollte sie das auch. Als er sie vor dem Restaurant »Kajüte am Hafen« oberhalb des Seglerhafens begrüßt hatte, hatte Christine gewusst: Egal, was jetzt geschah, es war richtig, und es tat ihr gut. Nur kurz war sie über
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